Eine Illustration von zwei Personen, die sich unterhalten.
23.12.2019    Miriam Rönnau
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Es überrascht: In Zeiten der zunehmenden Digitalisierung wird der persönliche Kontakt immer wichtiger. Insbesondere wenn es um so essenzielle Themen wie Vorsorge und Finanzen geht. So zeigt eine Befragung des Forschungsinstituts YouGov, dass nur elf Prozent der (potenziellen) Anleger heute eine rein digitale Beratung bevorzugen, etwa durch Robo-Advisors. Trotzdem bleibt auch die Vermögensberatung nicht von der Digitalisierung unberührt: Jeder Zweite wünscht sich künftig ein hybrides Modell, also eine persönliche Beratung, kombiniert mit digitalen Möglichkeiten. „Der Finanzmarkt ist komplex, und die Menschen brauchen zur Orientierung einen kompetenten Lotsen, dem sie vertrauen können“, sagt Dr. Dirk Reif­fenrath, Vorstand der Deutschen Vermögensberatung (DVAG). „Ist das Vertrauen da, können im zweiten Schritt digitale Tools genutzt werden, um etwa die Kommunikation zu erleichtern und den Markt für den Kunden verständlicher zu gestalten.“ Reiffenrath schildert seine Sicht auf die Entwicklung der Finanzbranche und beschreibt, wie die DVAG qualifizierte Nachwuchskräfte für sich gewinnen will.

Zur Person

Portrait von Dirk Reiffenrath

Dr. Dirk Reiffenrath

ist seit 2013 als Vorstandsmitglied der DVAG zuständig für den Bereich Aus- und Weiterbildung. Zuvor war der Psychologe Bereichsvorstand des Vertriebsbereichs Süd bei der DVAG

DUB UNTERNEHMER-Magazin: Sie haben in Kooperation mit der Fachhochschule Marburg einen neuen Masterstudiengang entwickelt. Welches Rüstzeug für die Zukunft wollen Sie Absolventen mitgeben?

Dirk Reiffenrath: Mit der Fachhochschule der Wirtschaft Marburg haben wir bereits 2008 einen dualen Bachelorstudiengang entwickelt, der Absolventen auf Führungsaufgaben im Vertrieb und auf ihren Beruf als selbstständige Vermögensberater vorbereiten soll. In dessen Mittelpunkt stehen fachliche Themen der Finanzdienstleistungen, wirtschaftliche Zusammenhänge und Hintergründe für eine fundierte Kundenberatung. Gleichzeitig suchen wir aber auch nach Unternehmern, also Menschen, die ihr eigenes Un­ternehmen aufbauen, Mitarbeiter für sich gewinnen ­wollen und neue Kunden werben. Mit dem Master „Management und Führung“ wollen wir gezielter in das Unternehmerische gehen. In den 31 Monaten, die der Studiengang dauert, werden betriebswirtschaftliche und rechtliche Themen vertieft. Aber es geht eben auch darum, Menschen zu bestärken, ein Unternehmen zu führen.

Das Masterstudium ist berufsbegleitend. Warum?

Reiffenrath: Bei jüngeren Generationen ist die Bildungsaffinität sehr ausgeprägt. Da müssen wir Angebote schaffen, die uns als attraktiven Arbeitgeber qualifizieren. Und für die jungen Menschen ist es gut, schon während des Studiums Praxisphasen zu haben, durch die sie einen Betrieb kennenlernen und gleichzeitig theoretisches Expertenwissen direkt anwenden können. Die Produktwelt ist heute viel komplexer als in der Vergangenheit. Es gibt beispielsweise Zigtausende Fonds, in die Anleger investieren können. Doch neue Entwicklungen bedeuten, dass wir Mitarbeiter immer wieder qualifizieren und auf neue Themen vorbereiten müssen. Früher war das anders; es gab einen Bausparvertrag, eine Lebensversicherung, eine Unfallversicherung, und das war es dann. Heute ist die Welt eine andere. Darauf kann ein Selbststu­dium kaum vorbereiten.

Wie unterstützen Sie Mitarbeiter über die Studiengänge hinaus bei der Qualifizierung?

Reiffenrath: Wir haben oft Quereinsteiger, die umgeschult werden müssen. Auch diese unterstützen wir etwa mit Präsenzzeiten, E-Learning und Blended-Learning. Weil jeder einen anderen Hintergrund hat, brauchen wir ein vielfältiges und individuelles Angebot. Ein weiteres Beispiel sind junge Mütter, die nicht Vollzeit arbeiten können, aber ein neues berufliches Standbein suchen. Sie haben den Vorteil, dass sie nicht in ein Berufsbildungszentrum fahren müssen, sondern auch viel von zu Hause aus erledigen können. Dadurch sind sie flexibler und können sich schneller als Vermögensberaterinnen qualifizieren. Am Ende legen aber selbstverständlich alle dieselben Prüfungen ab. Bei langjährigen Mitarbeitern prüfen wir, bei welchen Themen Fortbildungsbedarf besteht. Wenn es etwa um die Steuer geht, dann bieten wir interne Schulungen an. Doch wenn es spezifisch wird, suchen wir nach einem externen Bildungsanbieter.

Welche Skills werden künftig von Vermögensberatern besonders benötigt?

Reiffenrath: Zum einen wird die Persönlichkeitsentwicklung entscheidend sein. Sprich: zuhören können, Kunden beraten, nicht mit einem vorgefestigten Bild ins Gespräch gehen, sondern sich auf die individuellen Bedürfnisse einlassen. Die soziale Kompetenz war schon immer wichtig, aber ich glaube, sie wird in Zeiten der Digitalisierung noch mehr an Bedeutung gewinnen. Neben den weichen Faktoren müssen wir vermehrt lernen, mit Methoden und Mitteln zu arbeiten, die den Kundenkontakt möglichst schnell und reibungslos machen – vom elektronischen Antrag bis zur Kommunikation mit dem Kunden. Daran kommen wir nicht vorbei. Dabei wollen wir aber nicht den Kontakt vom Unternehmen zum Kunden digitalisieren, sondern den Vermögensberater. Das heißt, wir unterstützen ihn dabei, dass er mit den besten Mitteln kommunizieren kann und auf beiden Ebenen überzeugt – in puncto sozialer Kompetenz und im Umgang mit modernen Medien.

Wie können digitale Tools den Vermögensberater unterstützen?

Reiffenrath: Wir haben eine Reihe von Apps entwickelt, die den Beratungsprozess erleichtern. Dabei werden unterschiedliche Berechnungen mit Basisdaten vorgenommen. Zudem haben wir die „Formel des finanziellen Glücks“, die zeigt, wie sich die aktuelle Vorsorgesituation weiterentwickeln wird. Das lässt sich auch grafisch darstellen. Insofern nutzen wir die digitalen Möglichkeiten, um alles weniger komplex erscheinen zu lassen und um dem Kunden zu zeigen, wie Finanzdienstleistungen funktionieren. Eine weitere Erleichterung ist die digitale Antragserfassung, wodurch die Abwicklungsstufen den Vermögens­berater viel schneller erreichen. Er hat stets die volle Transparenz in der Kommunikation zwischen Produktgeber und Kunden. So kann er jederzeit eingreifen und dem Kunden zur Seite stehen.

Wie beurteilen Sie die künftigen Chancen des Vermögensberaters auf dem Arbeitsmarkt?

Reiffenrath: In der Branche gibt es ein Nachwuchs­problem. Wir haben einerseits Stellen, die wegfallen, und andererseits Positionen, die neu hinzukommen, sich aber aufgrund der hohen Qualifizierung viel schwerer besetzen lassen. Mit dem neuen Studiengang wollen wir qualifizierte junge Vermögensberater für uns gewinnen. Um den Job attraktiver zu machen, bieten wir mehr als nur Provisionen. Das eigentliche Thema der Branche ist nicht das vermeintliche Vermittlersterben, sondern die Nachfolge und die optimale Betreuung von Menschen, die sich für diesen Beruf interessieren.

 

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23.12.2019    Miriam Rönnau
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