Aus einem großen Knäuel an Ideen wird nach einem Geistesblitz ein Kreis mit linearen Linien gemacht. Comichefte Darstellung.
20.04.2021    Christian Buchholz
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In Kürze

  • Bayerische Staatsministerin Judith Gerlach fordert mehr Entwicklungskultur in der Politik.
  • Unternehmen sollen für Behörden Vorbild bei der Digitalisierung sein.
  • Föderalismus bremst Digitalisierung immer wieder aus.
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Ein Staatsapparat und seine Behörden funktionieren anders als Unternehmen. Nicht selten gibt es viele und lange Diskussionen, bevor Entscheidungen fallen. In der Wirtschaft läuft es besser. Unternehmen können in Sachen Entscheidungsfindung und Risikobereitschaft deshalb als Vorbild für die Politik dienen, sagt Staatsministerin Gerlach im DUB Digital Business Talk. Hands-on-Mentalität sei gefragt, vor allem in der Pandemie und bei der Digitalisierung. Mit dieser Meinung steht sie nicht alleine da. „Wir brauchen in der Politik mehr Agilität und schnellere Entscheidungen“, sagt auch Stefan Vilsmeier, Vorstandsvorsitzender und Gründer von Brainlab.

Am DUB Digital Business Talk nahmen teil:

  • Judith Gerlach, Staatsministerin für Digitales in Bayern
  • Stefan Vilsmeier, Vorstandsvorsitzender und Gründer, Brainlab
  • Martin Mayr, Senior Vide President, CANCOM

Moderation: Kathleen Goy, DUB UNTERNEHMER

Corona zwingt Unternehmer zum Umdenken

Die Coronakrise hat dem 1989 gegründeten Weltmarktführer im Bereich der softwaregestützten Medizintechnik das erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte beschert und gleichzeitig für einschneidende Veränderungen gesorgt. Denn obwohl Brainlab digital hervorragend aufgestellt ist, hat das Unternehmen viele Prozesse verändert. „Wir haben virtuelle Touren durch unser Unternehmen organisiert und erreichen damit wesentlich mehr Kunden als vor der Pandemie“, erklärt Vilsmeier. Verkaufsprozesse laufen mittlerweile dank verschiedener Remote-Tools vollständig virtuell.

So gelingt Digitalisierung in den Behörden

Den wirtschaftlichen Erfolg erreichte Brainlab auch dank öffentlicher Auftraggeber. Schließlich war und ist der Bedarf an digitalen Lösungen in den Kommunen, Ländern und beim Bund gewaltig. „Vor allem im Bildungs- und Gesundheitsbereich hat Corona die großen Lücken offenbart“, so Staatsministerin Gerlach. Das sehe sie aber vor allem positiv, denn die Pandemie hätte den „entscheidenden Schubser in die richtige Richtung“ gegeben. Prozesse in den Behörden wurden dank digitaler Tools überdacht und vereinfacht – und sie funktionieren nun sogar besser. Als Beispiele nennt sie die elektronische An- und Ummeldung von Kraftfahrzeugen und die digitalen Kontaktformulare für eine sichere Kommunikation mit den Behörden. Genug ist das aber noch lange nicht.

New Work mehr als Homeoffice

Auch das Thema New Work hielt Einzug in deutsche Amtstuben, wobei im bayerischen Digitalministerium laut Staatsministerin Gerlach bereits seit der Gründung vor zweieinhalb Jahren mobil und agil gearbeitet wurde. Auf die veränderten Arbeitsbedingungen zu Beginn des ersten Corona-Lockdowns seien ihre Beschäftigten daher vorbereitet gewesen. „New Work ist aber mehr als Homeoffice, dazu gehört auch die Selbstorganisation und Eigenständigkeit des Einzelnen. Und das ist ein Prozess, der langfristig in den Köpfen ankommen muss“, stellt Gerlach klar. Martin Mayr, Senior Vice President von Cancom, stimmt zu und sieht in der Coronakrise den entscheidenden Digitalisierungs- und Innovationstreiber für Unternehmen und Behörden: „Der Zwang, das Arbeiten neu zu denken, war heilsam.“ Er glaubt daran, dass es in Zukunft eine hybride Form des Arbeitens geben werde – im Büro und zu Hause.

Mammutaufgabe für die Politik: Digitalisierung der Bildung

Und wie sieht es im Bildungsbereich aus? Schließlich wurden Millionen Schüler im Frühjahr 2020 von heute auf morgen ins Homeschooling geschickt – obwohl es bundesweit an der nötigen digitalen Infrastruktur, mobilen Endgeräten, geschultem Lehrpersonal und funktionierenden Lernplattformen fehlte. Die riesigen Lücken mussten schnellstmöglich geschlossen werden. Das hat Cancom mit IT-Lösungen für das digitale Lernen versucht. Die Politik stellt über den „DigitalpaktSchule“ zwar bereits seit 2019 Mittel zur Verfügung, abgerufen wurden diese vielfach jedoch erst im vergangenen Jahr – und je nach Bundesland unterschiedlich. „Es gab einige Bundesländer, die mit sehr hohen Investitionen in die Digitalisierung den Turbo eingeschaltet haben“, berichtet Mayr. Folge: Die föderalistischen Strukturen sorgen im Bildungsbereich für ein digitales Ungleichgewicht.

Föderalismus behindert Digitalisierung

Der Föderalismus behindert nicht nur im Bildungsbereich die Digitalisierung. Gerade im Kampf gegen Corona würden digitale Lösungen zum Gesundheitsschutz wie die Corona-App oder die Luca-App durch die föderalen Strukturen ausgebremst. „Die Datenschutzaufsicht ist auf zu viele Stellen verteilt. Das ist eine große Herausforderung“, so Vilsmeier. Staatsministerin Gerlach spricht sich für übergreifende digitale Lösungen aus, wo sie Sinn ergeben; zum Beispiel bei der bundeseinheitlichen Kontaktnachverfolgung oder der Verteilung des Impfstoffes. „Hier hätte ich mir eine durchgängige Lösung gewünscht“, sagt Gerlach. Über eine gemeinsame Impfplattform könne der Impfstoff wesentlich besser und zielgerichteter verteilt werden. Gerlachs Vorschlag: „Wenn die Lösung nicht da ist, muss einer anfangen und diese entwickeln.“ Genau das ist Hands-on-Mentalität, die sich in der Politik in Zukunft noch viel stärker durchsetzen muss.

20.04.2021    Christian Buchholz
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