Künstliche Intelligenz Daten
18.01.2021    Arne Gottschalck
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Heute gibt es sie beim Discounter – Roboter, die Staub saugen oder den Rasen mähen. Rodney Brooks gilt als einer ihrer Urväter. Er erdachte und entwickelte die vor 36 Jahren noch revolutionäre Spezies.  Mit iRobot brachte er sie in den Markt. Seitdem hat sich viel getan.

Inzwischen sind die Begriffe Robotics und Künstliche Intelligenz (KI) in aller Munde. Brooks selbst ist dem Thema über die Jahrzehnte treu geblieben. Und er will mehr. Für ihn ist die Haushaltshilfe definitiv nur der Anfang, eine kognitive Maschine der nächste Schritt.

Am DUB Digital Business Talk nahmen teil:

  • Rodney Brooks, Panasonic Professor of Robotics (emeritus), MIT Co-founder and CTO of Robust.AI

Moderator: Thomas Eilrich, Chefredakteur von DUB UNTERNEHMER

Brooks ist umtriebig. Auch nach vier Jahrzehnten als Robotiker ist sein Forschungs- und Unternehmergeist in diesem Teilbereich der KI noch nicht gestillt. Derzeit arbeitet Brooks an einer „industrial cognitive engine“. Zu diesem Zweck hat der Australier im kalifornischen Palo Alto gemeinsam mit KI-Forscher Gary Marcus ein neues Unternehmen gegründet: robust.ai. – und eine Schar von rund 30 Mitarbeitern um sich geschart. Mit ihnen arbeitet er an einem Ziel: Irgendwann sollen Roboter in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben deutlich autonomer zu erfüllen als heute – nicht zuletzt im vielzitierten Bereich des autonomen Fahrens. Denn bislang haben Roboter, so Brooks, keinen „common sense“, also keinen gesunden Menschenverstand. „Menschen sind bislang nur Hindernisse für sie.“ Das soll sich nun ändern.

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Es heißt immer wieder, Corona habe der Digitalisierung in Deutschland endlich einen Schub verpasst. Stimmen Sie mit dieser Einschätzung überein?

Rodney Brooks: Deutschland hat die Digitalisierung selbst auf den Weg gebracht – und zwar mit seiner Industrie 4.0 schon lange vor Corona. Aber das Virus brachte weitere Veränderungen, gerade in der Zusammenarbeit. In meiner Firma zum Beispiel kooperieren wir mit Menschen aus der ganzen Welt, auch in Deutschland. Sie schreiben einen Code, laden ihn auf einen Roboter irgendwo im Silicon Valley hoch und nutzen dann Google Meet oder Google Hangouts, um zu beobachten, wie der Roboter den Code testet.

Wie steht Europa eigentlich im Rennen um die Zukunftstechnologie KI da?

Brooks: Wir sprechen ja oft über die USA, China und Russland. Russland ist in meinen Augen nicht groß genug, hat nicht das Budget, um KI wirklich voranzutreiben. Ich sehe die USA, Europa und Japan, aber auch Australien – ich bin ja Australier – als Gruppe zusammenarbeiten. Und dann ist da China – natürlich etwas weniger transparent. Für mich ist Europa daher nicht abgeschlagen, sondern Teil der Struktur.

Ihre jüngsten Veröffentlichungen lesen sich, als seien Sie der Überzeugung, dass die Menschen die Dynamik in Sachen KI überschätzen.

Brooks: Das ist möglich. Wissen Sie, ich frage Zuhörer in Vorträgen oft, wann ihrer Meinung nach die erste autonome Fahrt über 20 Kilometer stattgefunden hat. Die meisten liegen falsch mit ihrer Antwort. Denn das erste Mal war schon 1987 in Bayern.

Und was bedeutet das mit Blick auf die heutige Entwicklung?

Brooks: Es dauert halt alles länger. Denken Sie mal an die Luftfahrt.  Da hat man erst mit Ballons, dann mit Drachen gearbeitet. Und erst viel später kam die Idee des Flugzeugs auf. Vergleicht man das, stehen wir in Sachen KI noch im Jahr 1910.

Sind es immer nur technologische Fragen, die über den weiteren Fortschritt entscheiden?

Brooks: Es geht vor allem um die Technologie, aber eben nicht nur. Nehmen wir ein Beispiel: Die Gesichtserkennung ist viel besser geworden, technologisch beeindruckend. Aber sie wirft auch soziale Fragen auf. Etwa die Frage danach, wie diese Technologie genutzt wird. Unterstützt sie gar Vorurteile? Das ist ganz sicher nicht der Sinn der Sache.

Menschen wie Elon Musk mahnen vor den potenziellen Gefahren von KI. Was sagen Sie dazu?

Brooks: Musk ist ein ganz großartiger Unternehmer. Das heißt aber natürlich nicht, dass er immer und mit allem recht hat. Er hatte meines Wissens nach 2019 erklärt, 2020 gäbe es weltweit eine Million Tesla-Robo-Taxis. Er testet seine autonomen Autos auch unter uns Menschen – und zwar ohne unsere Billigung.

Sie haben schon in den 1980er-Jahren damit begonnen, Roboter zu bauen. Das Vorbild damals: Insekten. Wie kam es dazu?

Brooks: Stimmt. Ich war damals bei meinen Schwiegereltern im Urlaub, in einem Haus auf Stelzen im Fluss. Dort habe ich gesessen, mich umgesehen und beobachtet, wie sich die Insekten bewegen. Da kam bei mir die Frage auf, ob ich wohl einen Roboter bauen kann, der so schlau ist wie Insekten.

Das war also die Geburtsstunde des Roomba, Ihres Staubsauger-Roboters. Und wo stehen wir heute? Welches Tier wäre das Vorbild?

Brooks: Wir wären – um im Bild zu bleiben – noch nicht einmal in der Nähe der Maus.

Müssen Roboter eigentlich Menschen imitieren?

Brooks: Eine schwierige Frage. Viele Menschen geben ihrem Roomba einen Namen. Dabei ist das kein besonders kluger Roboter. Ich persönlich mag die Idee nicht, dass Roboter in Sachen Emotionen Menschen ersetzen.

Was sagen Sie denn zum Roboter Sophia mit seinem Menschengesicht von Hanson Robotics?

Brooks: Ich tue mich schwer, höflich davon zu sprechen. Das ist eine Augenwischerei. Und die Medien lassen sich immer wieder darauf ein. Das ärgert mich schon.

Dennoch sollen Roboter ja Menschen helfen.

Brooks: Das können sie wirklich, zum Beispiel indem sie menschlichen Pflegern mehr Zeit für ihre eigentliche Arbeit verschaffen – die Pflege und die Beschäftigung mit dem Menschen. In einem Krankenhaus in San Francisco werden zum Beispiel Roboter genutzt, um schmutziges Geschirr in die Küche zu bringen.

Was ja wiederum gar nicht so weit weg ist von Ihrer ursprünglichen Idee des Staubsauger-Roboters.

Brooks: Ja, davon sind glaube ich weltweit über 30 Millionen Exemplare verkauft worden. Ich mache gern den Scherz, dass ich als reiner Mathematiker angefangen habe und als Staubsaugerverkäufer endete. Ein wenig enttäuschend. Wissen Sie, dieser Roboter hat ja ein sehr niedriges Intelligenzniveau. Und bis das wirklich mehr wird, braucht es viel Ingenieurs-Arbeit. Und viel Zeit.

18.01.2021    Arne Gottschalck
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