Mann kämpft gegen Corona
13.05.2020    Arne Gottschalck
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Experte im Call:

  • Roland Boekhout, Mitglied des Vorstands der Commerzbank und zuständig für Firmenkunden

Wie erleben Sie als Experte die Corona-Krise?

Ich bin kein Krisenexperte, einen solchen gibt es wohl auch nicht. Dazu geschieht viel zu viel Neues, wir alle haben so etwas noch nicht erlebt. Noch vor zwei Monaten ging es zum Beispiel um den Handelskrieg zwischen den USA und China. Heute gibt es den zwar weiterhin, aber andere Aspekte sind in den Vordergrund getreten. Denn klar ist, dass es um Rettung geht – zunächst stand dabei nur die Gesundheit im Vordergrund, nun ist auch die Wirtschaft im Blick. Das macht in meinen Augen den Unterschied zur Finanzkrise aus: Damals stand Geld im Fokus, das ist wichtig. Aber nun sterben Menschen. Das darf man nicht vergessen. Klar ist aber ebenfalls, dass es eine Sehnsucht nach Öffnung gibt.

Auch bei Ihnen?

Ja, teilweise fühle ich mich etwas allein im Office. Zwar mit einem tollen Ausblick, aber eben einsam. Denn die eine Hälfte des Commerzbank-Vorstandes arbeitet im Homeoffice, die andere im Büro. Das ist ungewohnt. Jeder muss sich mit dieser Situation arrangieren, nicht nur wir in der Bank. Für so manchen Mitarbeiter heißt das zum Beispiel, zuhause einen Platz zu finden, an dem er in Ruhe arbeiten kann.

Wie bewerten Sie die Förderprogramme auf deutscher und europäischer Ebene?

Die Regierung in Berlin hat sehr gut und rasch gehandelt, das war auch wichtig — vor allem die Schnelligkeit, der Krise etwas entgegenzusetzen. Auf europäischer Ebene hätte ich mir etwas mehr Tempo gewünscht. Gerade weil nicht alle Länder ein umfangreiches Hilfsprogramm aus dem Boden stampfen können, braucht es eine kraftvolle europäische Antwort.

Kann Europa am Streit um diese Frage zerbrechen?

Diesen Gedanken möchte ich gar nicht erst zulassen; ich bin glühender Anhänger von Europa! Es gab auch in den Jahren vor der Corona-Krise eine gewisse Polarisierung, eine Konzentration auf das jeweilige Heimatland. Der Brexit ist dafür nur ein Beispiel. Und in der Krise erstellte jedes Land zunächst einmal ein eigenes Hilfsprogramm. Aber wir benötigen eine gemeinsame europäische Lösung. Sonst steht die Frage im Raum, wer was aus dem Topf bekommt, es droht ein harter Kampf ums Geld. Aber als überzeugter Europäer denke ich, es wird gelingen, eine länderübergreifende Lösung zu finden.

Wie geht es nun weiter?

Das hängt von mehreren Faktoren ab, vor allem von der Frage, ob sich die Wirtschaft in einem V erholt oder in Form eines U. Das V bedeutet, dass es nach dem Einbruch zügig wieder nach oben geht. Wenn die Entwicklung zunächst seitwärts verläuft, spricht man vom U. Außerdem kommt es darauf an, von welchen Sektoren wir sprechen. Kurzfristig ist das Umfeld für alle eine Herausforderung, manchen Unternehmen ist der Umsatz komplett weggebrochen. Und es dürfte Sektoren geben, die langfristig unter den Folgen von Corona leiden werden.

Andere wiederum haben es leichter. Entscheidend wird aber, wie Unternehmen die Krise angehen — Digitalisierung ist das Stichwort. Es gibt ja derzeit diese Scherzfrage, wer das digitale Arbeiten wirklich voranbringt, der CEO, der CIO oder Covid-19? Die Pandemie ist ein massiver Digitalisierungstreiber. Und das überraschend schnell und zumeist problemlos. Das gilt für uns als Bank, aber auch für unsere Kunden.

Brauchen wir eine neue Abwrackprämie für Neuwagen, um die Konjunktur zu stimulieren?

Wir halten eine Kaufprämie für Autos oder andere auf bestimmte Produkte gerichtete spezielle Maßnahmen für wenig sinnvoll. Statt eines solchen Flickenteppichs einzelner Maßnahmen sollte die Politik die Situation des von der Krise stark getroffenen und in der Folge teilweise hoch verschuldeten Unternehmenssektors insgesamt verbessern. Hier ist mit den beschlossenen Hilfen schon sehr viel passiert, aber es gibt sicherlich noch Raum für weitere Maßnahmen wie z.B. eine Verringerung der international recht hohen Steuerlast.

Wie ist die Commerzbank in diesem Umfeld aktiv?

Wir haben unglaublich viele Gespräche mit unseren Firmenkunden geführt und tun es immer noch. Die Bank fasste früh den Beschluss, sich auf Bestandskunden zu konzentrieren. Unsere Experten kennen sie gut und können daher zügig helfen, ohne sie erst analysieren zu müssen. Denn es geht zum Beispiel oft um die Koordination der Hilfsprogramme der KfW. Das ist nicht einfach, aber damit haben die Berater viel Erfahrung. Und manchmal braucht es mehrere Gespräche, bis sich der Kunde entscheidet.

Auch mich rufen Geschäftspartner mit ihren Fragen an, das finde ich gut. Sollte es zu einer befürchteten zweiten Infektionswelle kommen, braucht es allerdings nicht mehr nur Kredite, sondern auch Eigenkapital zur Stützung der Unternehmen. Daher wäre es wichtig, dass der geplante Wirtschaftsstabilisierungsfonds bald kommt.

Kehren wir eines Tages wieder in unser „Vorkrisen-Leben“ zurück?

Ich denke nein, alles wird digitaler sein — im Unternehmen, aber auch im Umgang mit Kunden. Werden wir zum Beispiel nach der Krise wieder genauso nur für einen Termin von Frankfurt nach Berlin oder München reisen wie zuvor? Ich denke nicht. So mancher Kunde wird für sich gelernt haben, dass Videotelefonate ausreichen und er nur noch für jeden zweiten Austausch eine persönliche Begegnung braucht. Das gilt auch für die Mitarbeiter. Sie haben erfahren, dass Homeoffice eine Bereicherung sein kann. Und es betrifft viele in der Wirtschaft: Werden zum Beispiel Händler wieder genauso viele Kunden im Geschäft haben wie zuvor? Ich weiß es nicht — aber ich erwarte, dass ein großer Teil des Umsatzes, der in der Krise ins Digitale abgewandert ist, dort auch verbleiben wird.

Hat Sie seit Ausbruch der Corona-Krise etwas besonders beeindruckt?

Ja – wie sich die Menschen auf die neue Wirklichkeit eingestellt haben — auf das Homeoffice zum Beispiel. Da waren vor der Krise andere Länder etwa im Norden Europas aktiver als Deutschland. Doch die Menschen haben es angenommen, sich arrangiert. Auch wenn ein Videotelefonat fünfmal abbricht; alle haben gelernt, dass es funktioniert. Arbeitgeber, Arbeitnehmer und auch Kunden. Oder ein anderes Beispiel: Unternehmen mit hohen Kapazitäten haben ihre Produktion heruntergefahren und dann sehr schnell wieder gesteigert.

Ich rede von großen Mittelständlern, das finde ich schon beeindruckend. Und dann ist da noch der ganz alltägliche Umgang mit der neuen Wirklichkeit. Ich gehe zum Beispiel nach wie vor morgens gerne zu Starbucks und hole mir meinen Kaffee, aber es sind natürlich kaum Kunden da. Dadurch kenne ich die Mitarbeiter dort mittlerweile recht gut und ziehe daraus eine Quelle positiver Energie. Es gibt mir das Gefühl des Zusammenhalts und dass wir die Krise nur gemeinsam meistern können!

13.05.2020    Arne Gottschalck
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