Menschen verschiedenster Hintergründe
02.01.2020    Madeline Sieland
  • Drucken

Dwight Cribb verfolgt ein neues Ziel. 1998 hat er eine Personalberatung gegründet, mit der er sich auf die Vermittlung von Digitalexperten spezialisiert hat. Nachdem er in den letzten Jahren vor allem an der Stärkung der Digitalkompetenz in Vorständen gearbeitet hat, fokussiert er sich nun auf Aufsichtsräte. Der Plan: klare Grundsätze für die Arbeit des Gremiums definieren. Denn Cribb meint: Der Status quo in Aufsichtsräten ist ein Hemmnis für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.

Zur Person

Portrait von Dwight Cribb

Dwight Cribb

ist Inhaber und Geschäftsführer der Dwight Cribb Personalberatung, die er 1998 gegründet hat. Der Brite mit Hamburger Wurzeln hat Marketing und International Business an der University of Stirling studiert

DUB UNTERNEHMER-Magazin: Welche Rolle spielen Aufsichtsräte in Unternehmen?

Dwight Cribb: Heute gibt es aus meiner Sicht wenige strategisch wichtigere Positionen als den richtigen Aufsichtsrat. Bei dessen Besetzung müssen wir uns zum einen auf die Kompetenzprofile der Aufsichtsräte konzentrieren, die vom Deutschen Corporate Governance Kodex längst gefordert, aber bislang nur weichgespült umgesetzt werden. Zum anderen muss der Anspruch an die Zusammenarbeit des Aufsichtsrats als ein Hochleistungsteam durchgesetzt werden.

Wie erleben Sie die meist mit älteren Entscheidern besetzten Kontrollgremien bei zukunftsweisenden Entscheidungen?

Cribb: Das Alter der Aufsichtsräte ist nicht per se das Problem. SAP-Gründer Hasso Plattner und Ora­cle-­­Gründer Larry Ellison sind beide Jahrgang 1944. Sie leiten die Aufsichtsräte der von ihnen gegründeten Unternehmen und stehen trotz ihres Alters nach wie vor für Innovation und Erfolg. Ellison wurde darüber hinaus im vergangenen Jahr in den Aufsichtsrat von Tesla berufen. Um die richtige Bewertung von Trends und das Verständnis, wie sich diese auf das Unter­nehmen auswirken werden, sicherzustellen und die notwendigen Weichen zu stellen, bedarf es im Aufsichtsrat allerdings einer Diversität von Erfahrungen und Auffassungen. Wichtig ist zudem eine Kultur, die Veränderung als Chance begreift und das aktive Mitwirken des Aufsichtsrats an der Geschäftsentwicklung einfordert. Sowohl Diversität als auch das beschriebene Mindset beobachten wir leider zu selten.

Sollten Aufsichtsräte eine Art „Führerschein“ in Sachen Zukunftsdenken machen?

Cribb: Nein, davon halte ich nichts. Man sollte von Menschen, die Mitverantwortung für den dauerhaften Fortbestand eines Unternehmens tragen, erwarten können, dass sie sich sowohl mit der Gegenwart als auch mit der Zukunft intensiv befassen. Idealerweise können sie dabei auf Erfahrungen zurückgreifen, die ihnen helfen, Ereignisse und Trends einzuordnen.

Butter bei die Fische: Können Sie Beispiele nennen, bei denen Verbesserungsbedarf besteht?

Cribb: Nehmen wir zum Beispiel die Deutsche Bank. Deren Aufsichtsrat besteht überwiegend aus Männern mit einem beruflichen Hintergrund im Bereich Banken und Finanzen. Von 19 Mitgliedern – davon 14 Männer – kommen gerade einmal sechs aus dem nicht deutschsprachigen Ausland; nur einer ist branchenfremd. Dieser kommt von Google, wo er für Security & Privacy verantwortlich ist und nicht etwa für neue Geschäftsfelder oder User-Experience, wo die Deutsche Bank meines Erachtens besonders Bedarf hätte.

Bei welchen Unternehmen läuft es dagegen gut?

Cribb: Bei SAP sieht es besser aus. Obwohl der Softwarebereich permanent durch junge und innovative Firmen angegriffen und disruptiert wird, schafft es SAP seit Jahrzehnten, relevant zu bleiben. Im Gegensatz zur Deutschen Bank hat der Börsenwert von SAP in den letzten fünf Jahren um ein Drittel zugelegt. Der Aufsichtsrat sieht auch ganz anders aus. Von den 18 Mitgliedern sind die Hälfte Frauen; fünf von neun ­Vertretern der Kapitalseite sind branchenfremd und kommen aus den Bereichen Medien, Telekommunikation, Pharma, Design und Venture-Capital. Allerdings ist auch dieses Gremium mit nur sechs Mitgliedern aus dem Ausland besetzt, also ebenfalls sehr deutsch. Zudem heißt es, dass SAP die Aufsichtsräte in zahl­reichen Bereichen mit Echtzeitinformationen versorgt, während viele andere Aufseher mit Daten arbeiten müssen, die ein oder mehr Quartale alt sind.

Sie planen Leitlinien für Aufsichtsräte. Was hat es damit auf sich?

Cribb: Wir sehen die Notwendigkeit, die Zusammensetzung der Aufsichtsräte und das Selbstverständnis, was der Einzelne und das Gremium zu leisten haben, zu verändern. Dafür sind wir im intensiven Austausch mit Vertretern aus Aufsichtsräten und Vorständen, mit Großaktionären, Akademikern führender Hochschulen und mit der Politik. Wir wollen im nächsten Jahr selbstverpflichtende Leitlinien für die Grund­sätze zukunftsweisender Aufsichtsratsarbeit verabschieden, zu denen sich die Unterzeichner bekennen.

Was erhoffen Sie sich davon?

Cribb: Eine nachhaltigere und zukunftsweisende Unternehmensführung. Die Veränderungen von Branchen und Geschäftsmodellen sind so fundamental 
und schnell, dass ein Unternehmen sich keinen trägen, zurückblickenden Aufsichtsrat leisten kann. Auf­sichtsräte müssen das Marktumfeld und die technischen Entwicklungen der Branche durchdringen und sicherstellen, dass ihr Unternehmen rechtzeitig und richtig darauf reagiert. Unsere Hoffnung ist, dass sich Unternehmen an der Einhaltung dieser Grundsätze durch alle Stakeholder messen lassen müssen. Aktuell werden Aufsichtsratsmandate vielfach als Bestätigung einer erfolgreichen Karriere gesehen – ­quasi eine finanzielle und soziale Würdigung des Erfolgs. Mit der Berufung zum Aufsichtsrat ist für viele das Ziel bereits erreicht. Die Leistung im Gremium selbst steht für diese Personen im Hintergrund.

Gibt es im Ausland bessere Modelle?

Cribb: Das angelsächsische Board-System. Statt der Zweiteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, bei dem der Aufsichtsrat den Vorstand kontrolliert und berät, hat man einen Verwaltungsrat. In dem arbeiten Executive und Non-Executive Directors aktiv zusammen. Ich halte dieses Modell für sinnvoll, da es eine engere Verzahnung ermöglicht und Aufsichtsräten mehr Spielraum gibt, direkt mitzuentscheiden. Die Rechtsform der SE lässt dies auch in Deutschland zu. Firmen hierzulande können also zwischen dem monistischen – dem Verwaltungsrat – und dem dualistischen Leitungssystem mit Vorstand und Aufsichtsrat wählen. Es bleibt aber leider meist bei Letzterem.

02.01.2020    Madeline Sieland
  • Drucken
Zur Startseite