Menschen vernetzen sich
26.10.2020    Miriam Rönnau
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Digitalisierungsstrategie? Davon spricht Ulrich Bühler nur ungern. „Wir betrachten Digitalisierung nicht als eigenständige Strategie, sondern vielmehr als integrierten Bestandteil unserer Unternehmensstrategie“, sagt der Leiter Marketing und Vertrieb bei EGGER. Laut Michael Pohl, Head of Presales Consulting beim Beratungsdienstleister parsionate, ist das genau der richtige Ansatz für ein Familienunternehmen wie EGGER.

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Ulrich Bühler

verantwortet
seit 2006 in der EGGER-Gruppen­leitung die Be-
reiche Vertrieb, Marketing, ­Pro-
dukt­management und Kommuni­kation

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Michael Pohl

ist Head of Presales Consulting bei parsionate

Das Coronavirus beschleunigt die Digitalisierung – eine These, die jetzt häufig zu hören ist. Stimmen Sie zu?

Michael Pohl: Hier ist eine aktuelle Umfrage des Branchenverbands Bitkom zum Status der Digitalisierung aufschlussreich. 60 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, spürbar durch digitale Wettbewerber unter Druck zu geraten, die derzeit auf die etablierten Märkte drängen. Mit Blick auf die Auswirkungen des Coronavirus denke ich, dass sich der Trend fortsetzt und Unternehmen zwingt, in Digitalisierung zu investieren und diese so zu beschleunigen.

Ulrich Bühler: Die durch das Coronavirus entstandenen Rahmenbedingungen waren und sind ja vor allem der Lackmustest für virtuelles Arbeiten – sowohl im Verwaltungsbereich als auch in der Produktion. Durch den sehr hohen Automatisierungs- und Digitalisierungsgrad unserer weltweit 20 Produktionsstät-
ten waren in diesem Bereich kaum Adaptierungen erforderlich, und wir konnten unserem Anspruch als ­verlässlicher Lieferant gerecht werden. Im Verwaltungsbereich haben wir rasch reagiert und den Homeoffice-Anteil erhöht. Wie andere Unternehmen haben auch wir festgestellt, dass virtuelle Arbeits- und Präsentationskonzepte gut funktionieren. Wir sehen uns daher bestätigt, weiter konsequent in den Ausbau der digitalen Arbeitsplätze zu investieren.

Es heißt, die Menschen hätten dieses Jahr mehr auf „do it yourself“ gesetzt. Konnten Sie sich als Holzwerkstoffhersteller aufgrund Ihres Digital-Angebots hier besser positionieren als Wettbewerber?

Bühler: Ja, in der Tat hat es eine gestiegene Nachfrage für Produkte im Bereich Wohnen und Ausbau gegeben. Unsere Kunden sind aber im Wesentlichen die Möbelindustrie und der Holzfachhandel. Somit sind auch unsere digitalen Services weitgehend auf diese Zielgruppe ausgerichtet. Für diese Kunden war entscheidend, dass wir trotz aller herausfordernden Rahmenbedingungen unsere myEGGER-Kundenportalservices in gewohntem Umfang anbieten konnten. So war es für unsere Kunden jederzeit möglich, Informationen zu laufenden Bestellungen abzufragen. Und noch viel entscheidender war, dass wir durchgängig lieferfähig waren. Das haben wir vor allem unseren Mitarbeitern zu verdanken: Trotz aller Digitalisierungsmaßnahmen sind es schließlich die engagierten Mitarbeiter, welche die Wünsche der Kunden erfüllen.

Rücken die Kunden nun stärker in den Fokus der ­Digitalisierungsstrategie?

Pohl: Der Aspekt Kundennutzen ist aktueller denn je. Heute weiß man: Digitale Services sind einfach verfügbar und individuell am jeweiligen Bedarf ausgerichtet. Sie helfen, den Alltag und typische Aufgaben zu erleichtern. Sie verursachen keine Technologiehürden oder gar Brüche, sondern sind flexibel skalierbar, bieten alles aus einer Hand und unterstützen den Erfahrungsaustausch mit Kollegen, Freunden und anderen Nutzern durch den Einsatz von etwa Kollaborationsmöglichkeiten.

Bühler: Digitalisierung bedeutet für uns, sich zunächst mit den bestehenden Prozessen auseinanderzusetzen. Eine umfassende Analyse bildet das Fundament für nächste Schritte und Maßnahmen. Erkennen wir Potenziale einer digitalen Unterstützung, prüfen wir den nachhaltigen Mehrwert für uns und unsere Kunden, aber auch für unsere Lieferanten. Kurz gedachte Einzellösungen sind nie hilfreich. Alle Adaptierungen müssen einen nachhaltigen Mehrwert innerhalb der Wertschöpfungskette darstellen. Wir stimmen uns dabei immer mit den Partnern ab – sei es mit dem Kunden oder dem Lieferanten. Beispiele sind etwa die Nutzung von RFID-Systemen im logistischen Bereich und Manufacturing-Execution-Systeme in der Fertigung, wo Daten kontaktlos gelesen und gespeichert werden. Und ebenso beim elektronischen Datenaustausch, bei dem wir Kunden den Echtzeit-Zugriff auf alle bestellrelevanten Informationen ermöglichen.

Das klingt nach einer Herausforderung in Sachen ­Datenmanagement.

Bühler: Unsere Kunden stammen aus der Möbel­industrie, dem Fachhandel, dem Holzhandwerk und sind Architekten und Planer. Bei einer so breiten Zielgruppe ist Datenmanagement gewiss eine Herausforderung. Doch uns fordert nicht die Datenmasse, sondern die Diversität der Daten. Es ist unsere Aufgabe, diese entlang der gesamten Wertschöpfungskette aufeinander abgestimmt und mehrwertbringend einzusetzen. Unser Ziel ist, die Komplexität der Daten vom Rohstoff bis zum Kunden in Einklang zu bringen und sie im Bedarfsfall gezielt abrufen zu können. Erschwerend ist es, dass nötige Standards fehlen, sowohl was Softwarelösungen als auch Regelwerke für die Datenweitergabe angeht. Letztlich haben wir auch auf der Kunden- und Lieferantenseite einen durchaus unterschiedlichen Zugang zur Digitalisierung, was Projektlaufzeiten in Teilen verlängert.

Ist das eine typische Herausforderung, die Unternehmen bei ihrer Digitalisierungsstrategie und beim Datenmanagement haben?

Pohl: Die Herausforderungen können so vielschichtig wie die Unternehmen selbst sein. Oft fehlt es für die Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie an Budgets, an geeignetem Personal, an passenden Organisationsstrukturen, an geeigneter IT-Infrastruktur, an IT-Integration, an klaren Prozessen – und eben an einer fokussierten Zieldefinition. Das ist bei EGGER offensichtlich nicht der Fall. Im Allgemeinen gilt: Digitalisierung, Datenmanagement, neue Geschäftsmodelle, Produkte und Services – sie alle werden künftig substanziell durch Data-Analytics und Data-Science bestimmt, um Customer-Experience und Customer-Journey stärker zu fokussieren. Agile Organisationen und Prozesse werden also zunehmend wichtig und einen nachhaltigen kulturellen Wandel mit Blick auf das klassische Produkt- und Dienstleistungsgeschäft verursachen.

26.10.2020    Miriam Rönnau
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