Visual einer Weltkarte mit Vernetzung
17.11.2020
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Wenn die Vorschriften und Steuern, besonders die Mehrwertsteuer, in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union einheitlich wären, könnten die Digitalunternehmen nach eigener Angabe ihre Einnahmen um beeindruckende 30 Prozent steigern.

Zu diesem Ergebnis kam eine in diesem Jahr von B2B International im Auftrag von Stripe durchgeführte Studie. Knapp drei Viertel (72 Prozent) der europäischen Digitalunternehmen sehen die Einhaltung von komplexen regulatorischen Vorschriften in den unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten als Hindernis für ihr Wachstum. Die Zahlen zeigen, dass eine Harmonisierung von Richtlinien innerhalb der EU enormes Potenzial birgt.

Dass die aktuelle Situation aus wirtschaftlicher Sicht problematisch ist, zeigt auch ein Blick auf die Unternehmen, die sich nicht sicher sind, ob sie alle bestehenden Regulierungsstandards in den Ländern, in denen sie tätig sind, einhalten. Der Anteil dieser Unternehmen liegt bei 33 Prozent. Ganze drei Viertel sind sich nicht einmal sicher, überhaupt gänzlich zu verstehen, welche Vorschriften sie beachten müssen. Einen Überblick zu behalten ist besonders für kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schwierig. Diese Unternehmen haben laut Studie besonders hohes Interesse an einer gesamteuropäischen Expansion.

Wie die Politik die europäische Digitalwirtschaft stärken kann

Die Corona-Pandemie hat das Thema noch weiter verschärft. Unternehmen und Verbraucher haben immer mehr Aktivitäten in den Online-Bereich verlagert und so mehrere Jahre wirtschaftlicher Digitalisierung auf wenige Wochen und Monate verkürzt. Alleine deshalb ist es für die wirtschaftliche Zukunft der EU wichtiger denn je, sicherzustellen, dass Digitalunternehmen in der Lage sind, ihre Dienstleistungen und Produkte auf dem gesamten EU-Markt anzubieten. Doch fünf Jahre nach Einführung des Digitalen Binnenmarktes ist davon noch wenig zu spüren.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Harmonisierung der Regulierung von 27 Ländern mit unterschiedlichen politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten ist ein schwieriges Unterfangen. Genau deshalb sollte die Vereinheitlichung der fragmentierten Gesetzgebung ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Zunächst müssen politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger definieren, wo Potenzial für eine weitere Harmonisierung der bestehenden Gesetzgebungen besteht. Derzeit beschäftigt sich die Europäische Kommission zwar verstärkt mit der Digitalisierung, aber sie hat die Fragmentierung auf regulatorischer Ebene noch nicht ausreichend auf dem Schirm.

Technologie ist einer der Treiber des Wandels

Neben der Politik kann auch die Technologie dazu beitragen, den dringend benötigten Wandel herbeizuführen. Technologische Lösungen für den Umgang mit Regulierung (genannt „Regtech”) erleichtern Unternehmen die Einhaltung aller relevanten Vorschriften in den EU-Ländern. Ganze 70 Prozent der befragten Digitalunternehmen nutzen bereits Technologien, die ihnen die Einhaltung von Gesetzen und Compliance-Vorschriften erleichtern. Doch die derzeit verfügbaren Tools sind oftmals nur für Teilbereiche geeignet oder länderspezifisch.

Es ist schwer, sich über die Vielzahl der Tools einen Überblick zu verschaffen. Integrierte Lösungen für alle Länder, Branchen und Regularien gibt es nicht. Doch selbst wenn es sie gäbe – sie allein könnten das Komplexitätsproblem kaum lösen. Nötig ist stattdessen eine Zusammenarbeit zwischen Politik und Technologieunternehmen. Dass die zu guten Ergebnissen führen kann, beweist die Zusammenarbeit bei der EU-weiten elektronischen Identifizierung und Authentifizierung, bei der es sowohl eines harmonisierten Rechtsrahmens als auch technologischer Instrumente bedarf.

Paneuropäische Lösungen und Regulierungen können Millionen europäischer Unternehmen helfen. Die Harmonisierung der nationalen Vorschriften ist ein Schlüssel zum weiteren Wachstum der europäischen Digitalwirtschaft. Wenn politische Entscheidungsträger und Technologieunternehmen konstruktiv zusammenarbeiten, haben wir sowohl die Chance auf deutliches Wachstum als auch auf ein stärker geeintes Europa.

Zur Person

Portrait von Marcos Raiser do Ó,

Marcos Raiser do Ó

ist Head of DACH and CEE beim Online-Bezahldienst Stripe. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main folgten Tätigkeiten bei Sun Microsystems, IBM und Salesforce. Danach verantwortete er bei Microsoft das gesamte Geschäft mit Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistern in Deutschland. Nach einer weiteren Station bei IPsoft wechselte Raiser do Ó im Februar 2020 zu Stripe

17.11.2020
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