27.02.2020    Andreas Busch
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Patric Fedlmeier

ist Versicherungsbetriebswirt und arbeitet seit 2003 für die Provinzial Rheinland. 2009 trat er in den Vorstand ein, seit 2018 ist er Vorstandsvorsitzender.

DUB UNTERNEHMER-Magazin: Welcher digitale Megatrend verändert Ihr Unternehmen aktuell besonders stark?

Patric Fedlmeier: Die fortschreitende Digitalisierung ändert vor allem das Kundenverhalten. Was die Amazons dieser Welt leisten, erwarten die Kunden zunehmend auch von uns als Versicherer. Sie wollen ständige Erreichbarkeit und die rasche Erledigung ihrer Anliegen. Sie sind besser informiert. Sie sind affin, Produkte und Dienstleistungen online zu kaufen, und sie wechseln daher schneller den Anbieter. Wir beschäftigen uns deswegen intensiv mit den wichtigsten digitalen Entwicklungen und Trends.

Welche sind das?

Fedlmeier: Vor allem die Künstliche Intelligenz bietet jede Menge Potenzial. Hier übernimmt bei uns Kollege Computer bereits vollautomatisch bestimmte Geschäftsvorfälle, was die Sache für den Kunden schneller macht, aber auch unsere hoch qualifizierten Mitarbeiter von „stupiden“ Aufgaben entlastet. Cloud-Computing, Robotics und das Internet der Dinge sind weitere Felder, mit denen wir uns auseinandersetzen und die wir ebenfalls zum Teil schon bei unserer Arbeit nutzen.

Woran darf es bei einer guten Customer-Journey nicht fehlen?

Fedlmeier: Es gibt nicht DIE Customer-Journey. Es gibt Kunden, für die darf nach wie vor ein Brief nicht fehlen, genauso wie es Kunden gibt, die ihr Anliegen innerhalb von Sekunden digital loswerden und gelöst haben wollen. Und gerade bei jungen Kunden ist nach unseren Erkenntnissen Abschlusskanal Nummer eins immer noch der Berater vor Ort. Wichtig ist, die unterschiedlichsten Kundenwünsche zu verstehen und sich daran auszurichten. Wobei durch die digitale Transformation die Komplexität immer weiter steigt. Die Welt wird bunter – und wir brauchen immer mehr Malstifte.

Wie transformieren Sie die Provinzial?

Fedlmeier: Wir haben vorletztes Jahr mit „Plan P“ ein großes Programm abgeschlossen, mit dem wir einerseits Kosten gesenkt, aber andererseits durch vielfältige Maßnahmen unser Unternehmen modernisiert und zukunftsfähig gemacht haben. Hierzu gehörten etwa ein neuer Markenauftritt, ein neues elektronisches Kundenportal, die weitere Digitalisierung von Prozessen im Unternehmen, aber auch die Einführung von neuen Ausbildungsgängen. Dabei wollen wir weiter unseren Weg vom Versicherer zum Dienstleister und Kundenversteher gehen. Mit „Mein Zuhause und ich“ haben wir daher ein Projekt vorangetrieben, mit dem neuartige Services wie etwa Handwerkerdienstleistungen für unsere Kunden eingeführt werden. Das hat zunächst einmal nichts mit Versicherungen zu tun, aber viel mit den Bedürfnissen der Kunden.

An welchem zukunftsweisenden Projekt arbeiten Sie aktuell?

Fedlmeier: Anfang dieses Jahres haben wir mit „#WIRBEGEISTERNKUNDEN“ ein Programm gestartet, das „Plan P“ in gewisser Weise fortsetzt und die Kundenorientierung weiter verbessern soll. Nur zufrieden reicht nicht mehr. Was zählt, ist, nachhaltig zu überzeugen. Für langfristigen Erfolg braucht es daher ­begeisterte Kunden. Das wollen wir mit dem neuen Programm schaffen.

Was sind die größten Herausforderungen, denen Sie als Versicherer im Zuge der digitalen Transformation begegnen?

Fedlmeier: Zu schaffen macht uns ein geändertes Bewerberverhalten. Der Kampf um Talente wird anspruchsvoller. Beim Wettbewerb um neue Funktionen wie Data-Scientists, App-Developer, Business-Analysts oder Cyber-Spezialisten stehen wir im Wettbewerb nicht nur mit Versicherern, sondern auch mit Beratungen und Start-ups. Deswegen müssen wir unsere Attraktivität als Arbeitgeber weiter ausbauen. Dazu gehört etwa heute schon die Flexibilität von Arbeitszeit und -ort genauso wie eine moderne Arbeitsumgebung, Mitgestaltungsmöglichkeiten und eine ausgeprägte Weiterbildungskultur.

Wie hat sich die Versicherungslandschaft in Deutschland in den vergangenen Jahren verändert?

Fedlmeier: So viel hat sich in den vergangenen zehn Jahren gar nicht geändert. Es sind noch alle traditionellen Wettbewerber da, wobei natürlich neue ­hinzugekommen sind. Wichtigster Newcomer ist sicherlich Check24 gewesen. Diese Plattform hat seit 2008 eine Marktmacht aufgebaut, da sie sowohl das Abschlussverhalten als auch die Markttransparenz für wichtige Versicherungsprodukte verändert hat. Hinzugekommen sind zudem die sogenannten InsurTechs. Am Anfang dachten alle, das ist eine Revolution für die Branche. Mittlerweile muss man aber feststellen, dass diese neuen Wettbewerber bis auf Weiteres wohl keine große Rolle bei den Kunden spielen.

Und wie hat sich das Angebot der Provinzial verändert?

Fedlmeier: Im Grunde genommen hat sich in den letzten zehn Jahren auch in der Produktlandschaft so viel nicht getan. Es gibt mehr Flexibilisierung und mehr Möglichkeiten der Individualisierung, um auf unterschiedlichste Lebensmodelle einzuzahlen. Und natürlich hat sich durch die Niedrigzinsphase das Produktportfolio für die Altersvorsorge weiterentwickelt, zum Beispiel durch fondsgebundene Lebensversicherungen. Noch nicht durchgesetzt haben sich situative Versicherungen, und bei Cyber-Deckungen etwa gegen Hackerangriffe stecken wir ebenfalls noch in den Anfängen. Allerdings gibt es hier angesichts des Bedrohungs­potenzials einen echten neuen Markt mit vielen Chancen.

Wie fördern Sie Innovationen in Ihrem Unternehmen?

Fedlmeier: Durch ein innovationsfreundliches Klima, das den Mitarbeitern Freiräume lässt, Neues auszuprobieren und zu entwickeln. Wir bieten dafür eine ganze Reihe von Beteiligungsformaten an – zum Beispiel unser Ideenmanagement, Veranstaltungen wie Ideen-Cafés oder Zukunftswerkstätten. Daneben haben wir eine Abteilung, die sich mit dem Thema Innovation beschäftigt. Die Einführung neuer Arbeitsmethoden und eine zunehmend netzwerkartige Zusammenarbeit fördern dabei die Entwicklung der Provinzial Rheinland.

Und in Sachen Weiterbildung?

Fedlmeier: In unserer IT haben wir schon vor Jahren das Sys
tem „19+1“ eingeführt. Das heißt, jeder Mitarbeiter kann einen Tag im Monat für seine Weiterbildung nutzen, Dinge ausprobieren oder auf Kongresse gehen. Im Vordergrund steht dabei aber das Über-den-Tellerrand-Blicken. Deshalb waren wir 2017 auch Gründungsmitglied des „InsurLab Germany“ und haben gerade zusammen mit drei anderen öffentlichen Versicherern die „id-fabrik“ geschmiedet, ein Start-up, mit dem insbesondere für den Vertriebsweg Sparkassen digitale Lösungen entwickelt werden sollen. Dadurch ergeben sich wechselseitige Impulse. Wir lernen gerade sehr viel dazu – und das wird nicht aufhören.

27.02.2020    Andreas Busch
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