Corona Digitalisierung Mittelstand
19.11.2020    Fabian J. Fischer
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Kasten für die Kolumne von Fabian Fischer
Die Corona-Krise traf große Teile der Wirtschaft besonders hart. Die Pandemie war ein immenser Beschleuniger einer Entwicklung, die sich bereits zuvor abzeichnete. Mittlerweile sind die Aussichten positiv, dass im nächsten Jahr mehr als ein Impfstoff zur Verfügung steht. Die Hoffnung ist auf jeden Fall berechtigt, dass sich privates Leben wie auch die Arbeitswelt wieder ein Stück weit normalisieren werden.

Einige Veränderungen hinsichtlich des Verhaltens im Umgang mit digitalen Möglichkeiten werden in meinen Augen definitiv weitergeführt – und das aus absolut nachvollziehbaren Gründen.

Corona hat neue digitale Standards gesetzt

Die Arbeitswelt hat sich durch Corona stark verändert. Im Frühjahr verwaisten Büroräume, und die heimischen vier Wände wurden zunehmend zu Homeoffices umfunktioniert. Und dort konnten viele lernen, dass Meetings auch als Online-Videokonferenz funktionieren und wir für einen zweistündigen Sales-Termin nicht unbedingt in den Flieger steigen müssen. Tools wie Zoom, Teams oder Slack finden immer mehr Anhänger, weil sie sich wunderbar für die schnelle Abstimmung und die effiziente Zusammenarbeit eignen. Doch wird so die Arbeitswelt auch nach Corona aussehen? Ich glaube, nichts wird so sein, wie es einmal war.

Auch über die Aufrechterhaltung bestehender Büroräume denken nun immer mehr Unternehmer nach. Mittlerweile spielen viele mit dem Gedanken, Büroräume zu kündigen oder ihre Räumlichkeiten in alternative Office-Lösungen aufzulösen, in denen sich mehrere Firmen Räume teilen. Wird es also nach der Pandemie überhaupt wieder ganz normale Office-Meetings geben? Wo es keinen Sinn ergibt respektive die physische Komponente keinen Mehrwert liefert, werden Unternehmen virtuelle Meetings bevorzugen und diese zum neuen Standard.

Ein anderer Aspekt, der sich durch Corona verändert hat, betrifft das Einkaufsverhalten. In den letzten Jahren wuchs der Anteil des Online-Shopping immer mehr an, während der stationäre Handel immer mehr Umsatzeinbrüche hinnehmen musste. Neben den Platzhirschen wie Amazon und Zalando finden auch Lieferdienste im Lebensmitteleinzelhandel und in der Gastronomie wie Delivery Hero immer mehr Kundinnen, Kunden und neue Käuferschichten. Corona hat diese Entwicklung um ein vielfaches beschleunigt und für überproportionale Wachstumsraten gesorgt. Geht dieses Wachstum nach Corona nahtlos weiter und wird dann wieder die Frequenz stationär steigen? Wer ernsthaft glaubt, dass diese Entwicklung nur ein vorübergehender Trend ist, dem ist nicht zu helfen. Das Sterben rein stationärer Player wird weiter voranschreiten.

Worüber wir auch nachdenken sollten, ist das veränderte Freizeitverhalten. Als Fitness-Studios sowie Vereins- und Sporteinrichtungen schließen mussten, griffen viele zu Online-Lösungen wie Peleton, Gymondo, Freeletics oder anderen Fitness-Plattformen, um sich fitzuhalten. Doch was passiert mit diesen Services, wenn nach der Pandemie die Fitness-Studios und Sporthallen wieder öffnen? Werden sich weiterhin so viele Nutzer für diese Online-Lösungen begeistern können? Auch hier werden neue digitale Lösungen dazu führen, dass der Shift stetig größer wird. Und zusätzlich werden hybride Angebote entstehen, die On- und Offline miteinander verbinden.

Illustration von Fabian Fischer

Fabian J. Fischer ist ein Hamburger Unternehmer, digitaler Vordenker und Investor. Als Founding Partner und CEO von Etribes verantwortet er die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens, das mittelständische Unternehmen und Dax-Konzerne bei den Herausforderungen der Digitalisierung berät. Fischer ist ebenso Co-Founder von Picea Capital, einem Evergreen Venture Capital Fund mit Fokus auf Early-Stage-Technologieunternehmen.

Fazit

Ich bin davon überzeugt, dass zwar die aktuellen Entwicklungen nach der Pandemie ein wenig abflachen werden, sie sich jedoch auf einem stetig wachsenden Niveau fortsetzen – und zwar definitiv auf einem vielfach höheren als noch vor Corona.

Die Pandemie hat viele zukunftsweisende Entwicklungen weiter angetrieben, manche davon erst ermöglicht, aber noch mehr von ihnen beschleunigt. Der Schritt von Offline zu Online wird in vielen Branchen weitergehen, weil auch immer mehr Unternehmen die digitalen Vorteile für sich nutzen und so weitere Käufer- und Nutzerschichten überzeugen werden.

Wir dürften uns künftig in immer mehr Zoom-Meetings wiederfinden als vor der Pandemie. Und wir werden gleichzeitig weniger, dafür bewusster reisen. Auch werden wir wieder den Weg ins Fitness-Studio aufsuchen, aber gleichzeitig Online-Lösungen verstärkter nutzen als noch zu Beginn des Jahres 2020.

Die Umsätze vieler Unternehmen, die von der Pandemie profitierten, werden sich vielleicht kurzfristig etwas normalisieren, aber langfristig weiter ansteigen. Und entsprechend positiv wird sich weiterhin ihre Börsenbewertung entwickeln. Die langfristige Perspektive bleibt dieselbe: Auch hier ist Corona lediglich ein Beschleuniger einer Entwicklung, die sich bereits Monate wenn nicht sogar Jahre vorher abzeichnete.

Unternehmen müssen jetzt für sich und konsequent entscheiden, ob sie „einfach nur” die Krise meistern oder ihr Geschäftsmodell transformieren wollen, mit dem Ziel, ihre Wertschöpfungskette zu ändern. Viele haben jetzt die Chance, in ihre digitale Geschäftsmodelle zu investieren. Die aktuelle Situation zeigt deutlich, welche Chancen die Digitalisierung ermöglicht.

19.11.2020    Fabian J. Fischer
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