Ein Portrait von Francesco de Meo
19.08.2020    Miriam Rönnau
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Rund 300 Krankenhäuser in Europa, 20 in den USA, in zehn Jahren 700 weltweit – so hätte die Zukunft von Helios aussehen können. Doch der Klinikbetreiber entschied sich, nicht stationär, sondern digital zu expandieren. Heute zählt die zu Fresenius gehörende Helios-Gruppe rund 120 Kliniken, überwiegend in Deutschland und Spanien. „Wir fokussieren uns nun auf die Entwicklung neuer Geschäfts­modelle, etwa im Bereich E-Health“, sagt Vorstandsmitglied Francesco De Meo. Im Gespräch mit Brigitte Zypries, DUB UNTERNEHMER-Herausgeberin, erklärt De Meo, welche Pläne er mit der digitalen Gesundheitsanwendung Curalie von Fresenius hat und vor welchen Herausforderungen er bei der Digitali­sierung im Gesundheitswesen steht.

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Zur Person

Francesco De Meo

Der Jurist ist seit 2008 Mitglied des Vorstands von Fresenius, wo er für die Helios-­Kliniken verantwortlich ist

Sie betreuen unter anderem die digitale Patientenplattform Curalie. Was zeichnet das Tool aus?

Francesco De Meo: Das Projekt ist aus unserer E-Health-Initative „smartHelios“ entstanden. Mittlerweile ist Curalie zu einem Digital-Health-Unternehmen herangewachsen. Inzwischen haben wir die Digitale Gesundheitsgruppe DGG übernommen und arbeiten mit internationalen Experten aus allen Bereichen der Medizin zusammen. Curalie dient als digitale Ge­sundheitsanwendung für die Rehabilitation und Nachsorge vor allem von chronisch kranken Menschen – also etwa bei Knie-, Hüft- oder Herzproblemen oder auch bei Diabetes. Ich vergleiche die App gern mit einem Highway. Wir wollen damit Patienten durch das Gesundheitswesen vom Eintritts- bis zum Exit-Point be­gleiten und sie auf diesem Weg vor Fallstricken bewahren. Am Anfang wird immer sofort geprüft, ob ein Facharzt ausreicht oder ob der Besuch einer Notaufnahme nötig ist. Wir bieten dann entweder eine telemedizinische Begleitung an oder geben Tipps für den richtigen Arzt in der Nähe. Das ist auch abhängig davon, was der Patient selbst möchte. Unser erstes Ziel ist es, 150.000 Versicherte als Nutzer zu gewinnen. Am Ende wollen wir zu einer universellen Gesundheitsplattform werden und weitere Leistungs­anbieter beteiligen.

Curalie ist eine offene Plattform. Konkurrieren Sie damit nicht mit Ärzten außerhalb von Helios?

De Meo: Ich sehe da keine Konkurrenz, ich sehe Vorteile für alle. Und unsere Ärzte müssen und können auch damit leben, dass sie auf der Plattform im Wettbewerb stehen. Ich sage ihnen: Ein Patient, der auf unsere Plattform geht und dann zu euch, ist bei uns zweimal Patient. Ein Patient, der nur auf die Plattform geht, ist immerhin einmal unser Patient. Wir bedienen Patienten mit den richtigen Spezialisten. Und das ist gut so.

Dürften nicht Google oder Amazon bald mit einem ähnlichen Produkt auf den Markt kommen?

De Meo: Die waren schon bei uns. Doch wir haben ihnen einiges voraus. Wenn ich über Eintritts- und Exit-Points spreche, dann meine ich damit: Wir wissen ganz genau, was die Bedürfnisse im echten Leben sind, wie Diagnosen aussehen, wie das Feedback auf Behandlungen ist. Wir haben zur Nachsorge bereits eine eigene Therapie entwickelt – und das macht uns im Gegensatz zu einer reinen digitalen Plattform einzigartig. Denn die kann nur vermitteln und hat kein Know-how zu bieten.

Viele sprechen von einem „Digitalisierungsboost“ durch Corona. Ist das auch im Gesundheitswesen spürbar?

De Meo: Vieles ist heute schon theoretisch machbar, aber das muss zunächst in den Köpfen der Menschen ankommen – sowohl bei den Patienten als auch bei den Ärzten. Vor Kurzem haben wir noch mit unseren Ärzten debattiert, dass sie ihren Kalender digital nutzen sollen. Vor sechs Monaten weigerten sich die Chefärzte noch, die Terminvergabe digital abzubilden, weil sie ihren Kalender über ihr Sekretariat laufen lassen wollten, wo das häufig noch auf Papier stattfindet. Doch man spürt auch, dass Corona dazu beiträgt, dieses Bewusstsein zu verändern und die Vorteile der Digitialisierung hervorzuheben. Mittlerweile haben alle verstanden, dass es ohne Transformation schlicht nicht mehr geht.

Wo sehen Sie das größte Potenzial?

De Meo: Nicht unbedingt in Deutschland, sondern eher in Entwicklungsländern. Da haben Regierungen häufig nicht die finanziellen Mittel, um etwa eine Reha aufzubauen. Trotzdem ist der Bedarf für Nachsorge da. Da helfen Innovationen wie Curalie ungemein. Deshalb gehören diese Länder nach Europa zu unseren Zielmärkten, wo wir die Plattform skalieren wollen. In ­Kenia etwa ließe sich so Diabetes besser behandeln. Das ergibt auch deshalb Sinn, weil diese Länder meist schon ein gutes Internet aufgebaut, aber noch eine mangelnde Gesundheitsinfrastruktur haben. Ein anderes Beispiel ist China. Von dort wurde ebenfalls schon Interesse signalisiert. In China ist es nur wenig sinnvoll, große Zentren für Reha aufzubauen. Besser ist es, direkt den Sprung in die digitalisierte Therapie zu wagen.

Sie arbeiten seit 2005 für Fresenius. Wie schaffen Sie es, agil und innovativ zu bleiben?

De Meo: Es ist wichtig, dass Vorstände Agilität und Innovation vorleben. Und auch wenn man als alter Dinosaurier daherkommt und mit den Mitarbeitern spricht, kann man Dynamik erzeugen. Es kann etwa sein, dass ich mich einem Thema widme und jemanden suche, der für dieses Thema steht und ähnlich motiviert ist wie ich. Dann wird aus der Idee ganz schnell ein Projekt, das nebenherläuft. Wir bringen als Konzern an vielen Stellen eine Start-up-Mentalität mit. Das heißt: Es ist nicht nur gut, neue Dinge auszuprobieren, sondern wir müssen uns auch Fehler erlauben.

19.08.2020    Miriam Rönnau
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