Illustration Durchstarten trotz Corona
29.12.2020    Karina Engelking
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Als Manufaktur für Erlebnismarketing startete Klardenker 2016. Das Ziel: mit vielen scheinbar feststehenden Regeln der Veranstaltungsbranche brechen. Gründer David Suermann legte den Fokus auf nachhaltige und reduzierte statt auf immer aufwendigere Messestände – und war damit erfolgreich.

Dann zog ihm die Coronapandemie den Boden unter den Füßen weg. Doch aufgeben kam für Suermann nicht infrage. Er wagte den Wandel – und gewann dafür den DUB Innovations-Preis. Schirmherrin Brigitte Zypries und eine Jury aus Experten ehrten damit jene, die sich 2020 besonders mutig, innovativ und resilient zeigten.

Am DUB Digital Business Talk nahmen teil:

Moderation: DUB-Herausgeberin Brigitte Zypries & DUB-Chefredakteur Thomas Eilrich

Tipp 1: Vom Kunden her denken

Doch wie erdenkt man in Krisenzeiten einen neuen Weg? Suermann fragte sich: Was vermisst der klassische Messebesucher am meisten? Und er war eng mit seinem Netzwerk in Kontakt. „Wir haben eins und eins zusammengezählt. Unsere Innovation entstand aus der Kombination verschiedenster existierender Technologien und Angebote, die noch nie vereint waren“, so der Klardenker-Gründer.

Und wie sieht diese Innovation nun aus? Ganz einfach: Kann der Kunde nicht zum Messestand kommen, muss der Messestand eben zum Kunden – und zwar in Form einer kleinen Box.

„Die StageBox+ ist individualisierbar, haptisch und arbeitet mit Geräten wie iPads oder Brillen für Augmented Reality. Da sie nur für 24 Stunden beim Kunden bleibt, ist sie das perfekte exklusive Erlebnis“, so Suermann. „Das Erlebnis auf Messen oder Events ist selten individuell. Die Individualität entsteht nur im persönlichen Gespräch vor Ort. Und wenn das persönliche Gespräch das einzig Individuelle ist, brauchen wir die Messe nicht. Mit der StageBox+ erweitern wir das persönliche Gespräch – zum Beispiel im begleitenden Videocall – durch ein analoges Erlebnis.“

Tipp 2: Den Mut haben, Neues zu wagen

Neues wagen musste auch Sabine Wildemann, Co-Gründerin von KidsCircle. Am 1. April sollte die flexible Kinderbetreuung an 15 Standorten in Berlin starten. „Doch dann mussten wir Mitte März plötzlich die Reißleine ziehen“, sagt Wildemann. Dramatisch für das Start-up, denn die Betreuung vor Ort war plötzlich auf unbestimmte Zeit nicht mehr möglich.

Eine neues Konzept musste her – und zwar schnell. Innerhalb von zwei Wochen hat KidsCircle auf digitale Kinderbetreuung umgegeschwenkt. Geprüfte, erfahrene Betreuer kümmern sich nun bis zu zwei Stunden am Tag um Kinder von vier bis elf Jahren. „Bei uns treffen sich die Kinder in einer Videokonferenz, und Kids-Coaches animieren sie zum Mitmachen beim Basteln, Zaubern oder Tanzen“, so Wildemann. Die Kinder können sich sehen, miteinander sprechen und interagieren.

Die ursprüngliche Idee zu digitalisieren – das war gleichzeitig eine klassische Market-Pull-Innovation, denn der Lockdown im Frühjahr hat viele Eltern und Kinder an ihre Grenzen gebracht. Wildemann betont, dass es durchaus viel Mut brauche, um solch eine Innovation zu wagen. Dieser Mut zahlt sich jedoch aus: Mittlerweile ist die digitale Betreuung auch ein Benefit, den Unternehmen ab 400 Angestellten für Mitarbeitende mit Kindern buchen können.

Whitepaper: So trotzen Sie mit innovativen Ideen der Krise

Das Jahr 2020 hatte sich zum Auftakt so hoffnungsvoll gezeigt. Die neuen Goldenen Zwanziger schienen zum Greifen nah. Doch dann kam alles anders: Coronavirus, Lockdown, weltweit mehr als eine Million Tote und eine einbrechende Wirtschaft weisen zwar wiederum Parallelen zu den 1920er-Jahren auf, doch in einer Art und Weise, die man zumindest in weiten Teilen des Westens geglaubt hatte für immer hinter sich gelassen zu haben.

Wie Sie mit innovativen Ideen und einem Wandel der Unternehmenskultur dennoch gestärkt durch Krisen kommen, lesen Sie im Whitepaper der DUB UNTERNEHMER-Akademie.

Tipp 3: Nicht zu viel nachdenken, lieber schnell machen

Wer innovativ sein will, müsse neue Dinge schnell ausprobieren, bekräftigt Mitul Jain, CEO und Gründer von refive GmbH. Mit dem Lockdown im Frühjahr entstand das Produkt „Stammi“ in lediglich vier Tagen. „Wir wollten coronabedingt geschlossenen Geschäften helfen. Also ermöglichten wir ihnen, ihren Stammkunden digitale Gutscheine zu verkaufen, die sie nach dem Lockdown einlösen konnten. Der erste Gutschein war am fünften Tag verkauft“, erzählt Jain.

Das Kerngeschäft von refive ist allerdings der digitale Kassenzettel – eine nachhaltige Alternative zu den Papierkassenzetteln, die seit Einführung der Belegpflicht Anfang 2020 gezwungenermaßen in Masse verteilt werden.

Die Idee: Das Kassensystem wird mit refive verbunden, der Kunde scannt nach dem Bezahlen einen QR-Code neben der Kasse und erhält den Bon als PDF oder per E-Mail. Das ist absolut gesetzeskonform; Händler brauchen keine neue Hardware. Zahlreiche Bäckereien, Einzelhändler, Restaurants und Bars nutzen die Anwendung schon, da sie durch eine integrierte digitale Stempelkarte auch ein Tool zur Kundenbindung ist.

Innovation begreift Jain als nie abgeschlossenen Prozess: „Durch neue Funktionen wollen wir den Wert für unsere Händler weiter steigern.“ Ein digitales Produkt in ein traditionell offline agierendes Kundensegment zu tragen ist allerdings nicht immer einfach, so Jain. Viele Inbound-Anfragen und Referrals stimmen den CEO jedoch positiv, da „Einzelhändler und Gastronomen unter sich viel häufiger in Kontakt sind, als wir gedacht hatten“.

Tipp 4: Think outside the box, um neue Kunden zu finden 

Gerold Wolfahrt ist CEO der bk Group, einem Generalunternehmer für Objektausbau. Obwohl das Kerngeschäft – unter anderem der Ausbau von Shops, Restaurants und Hotels – coronabedingt komplett still stand, musste er keinen seiner 250 Mitarbeiter entlassen. Denn: Sein Team schaffte es in kürzester Zeit, die europaweit erste B2B-Buchungsplattform für Handwerker zu implementieren: Book Your Rockstar. Stolz berichtet Wolfahrt, dass das Konzept aufgehe und dieses Jahr das erfolgreichste der 20-jährigen Unternehmensgeschichte sei.

Auch Jürgen Firsching bemüht sich um Neukunden für sein Unternehmen dve advanced systems. Spezialisiert ist er eigentlich auf technische Lösungen für Film-, Video- und Broadcast-Postproduction. Doch angeboten werden jetzt auch DSGVO-konforme Gruppenchats, die auf den eigenen Servern der Kunden gehostet werden können. Denn Datensicherheit sei ein zentrales Digitalisierungsthema, so Firsching.

Robert Scholderer, CEO des gleichnamigen Unternehmens, standardisiert eigentlich IT-gestützte Dienstleistungen, um den Handel im B2B-Bereich zu erleichtern. In der Krise zeigt er mit einer neuen Geschäftsidee, wie effektiver Kundenkontakt in Coronazeiten und darüber hinaus aussehen kann: Mit einem Avatar begeht man den individuell erstellten virtuellen Unternehmenscampus in 3-D und interagiert dort mit anderen Anwesenden. So ließen sich zum Beispiel dauerhaft Geschäftsreisen reduzieren, aber auch Onboardings neuer Mitarbeiter aus dem Homeoffice effizienter gestalten.

Wann ist eine Innovation eine Innovation?

Was eine Innovation auszeichnet? „Innovation bedeutet für mich, Alternativen zu eingespielten Prozessen zu entwickeln. Sie kann auch durch eine kleine Veränderung entstehen, die plötzlich großen Mehrwert liefert“, sagt Klardenker-Chef Suermann. „Damit etwas aber wirklich innovativ und nicht nur neu ist, muss es für mich auch einen Mehrwert für die Umwelt oder die Gesellschaft haben und nie nur für einzelne Individuen. Was zulasten der Umwelt geht, würde ich nie als Innovation bezeichnen.“

Was nötig ist, damit etwas Innovatives entsteht – da hat Suermann eine klare Meinung: „Es braucht Menschen mit Mut – und es braucht Freiheit und Offenheit, Neues auszuprobieren. Sobald eine Idee da ist, muss man prüfen, ob sie ein Problem der Gesellschaft oder Umwelt löst. Wenn es noch keinen Markt dafür gibt, sollte man nicht aufgeben: Die wirklich innovativen Ideen schaffen neue Märkte.“

Wolfahrt stimmt dem zu: „Die Gewinner von morgen werden jetzt gemacht“. Es brauche Mut und Vorbilder, die voranmarschieren.

29.12.2020    Karina Engelking
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