Eine Grafik von einem Einkaufswagen
17.10.2019    Madeline Sieland
  • Drucken
Visionäre Ideen, wo Künstliche Intelligenz (KI) im Handel eingesetzt werden kann, gibt es viele. Schnell realisierbar wäre ein selbstlernender Algorithmus, der als Schnittstelle zu Lieferantensystemen dient und neue Produkte automatisiert in die eigene Warenwirtschaft übernimmt. Möglich wäre es auch, einen Kunden biometrisch zu „identifizieren“, um ihm personalisierte Angebote zu machen. Ganz so weit ist es aber noch nicht, sagt Arne Schümann von der Unternehmensberatung Multiversum.

Zur Person

Porträt von Arne Schümann

Arne Schümann

arbeitet an der Realisierung des Claims „Make Vision Work“. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Multiversum Gruppe und im Advisory Board des KI-Start-ups DARVIS

DUB UNTERNEHMER-Magazin: Wo sind KI im Handel bereits im Einsatz?

Arne Schümann: Die Warensicherung ist ein wichtiges Thema. Eine weitere Anwendung sind digitale Zwillinge von Kunden zur Analyse des Einkaufsverhaltens. Aber auch kleinere Lösungen wie ein Warteschlangenmodell haben wir in Märkten realisiert. Dabei wird das Überwachungssystem um eine einfache KI ergänzt, die anonymisiert bewertet, ob ein Besucher gerade ein Produkt kauft. Das wird dann um die durchschnittliche Verweildauer erweitert, die sich aus den Werten vergleichbarer Einkäufe errechnet. Die Summe der potenziellen Käufer gibt dem Store-Manager einen verlässlichen Indikator, wann zusätzliche Kassen geöffnet werden sollten. Und das, bevor sich eine Schlange genervter Kunden durch den Laden zieht.

Das klingt nach Überwachung. Wie steht es um die Akzeptanz von KI-basierten Tools zur Datenanalyse?

Schümann: Es gibt große Vorbehalte. Eine KI bekommt von uns Menschen keinen Vertrauensvorschuss.Denn wir verstehen meist nicht genau, wie der Algorith­mus arbeitet. Das ist uns suspekt, wir fühlen uns vermeintlich überwacht. Was wenig mit den Fakten zu tun hat, denn allein der technische und finanzielle Aufwand einer dauerhaften Überwachung ist viel zu groß.

Wie kann man diese Furcht nehmen?

Schümann: Wie jeder Automat wartet eine KI darauf, eingeschaltet zu werden, um dann eine Dienstleistung zu erbringen. Daten werden – auch wegen der DSGVO – anonymisiert, Personen durch Avatare ersetzt. Da-
bei bleiben die für den Handel wichtigen auswertbaren Attribute wie Stimmung, Geschlecht, Alter und Bewegungsprofil erhalten. Insgesamt ist Change ein dominanter Teil unserer KI-Projekte. Denn nur wenn eine Kamera für die Mitarbeiter nicht mehr für „Big Brother“-artige Überwachung steht, sondern ein Vertrauen für die KI mit ihren temporären Sensoren da ist, kann KI der ideale Partner für den Menschen sein, um informierte Entscheidungen zu treffen.

Was versprechen sich Händler von einer KI?

Schümann: Die Chancen werden im Moment mehr erahnt. Es wird selten Expertenrat eingeholt, der Stand der technischen Möglichkeiten ist kaum bekannt. Dabei zeichnet sich ab, dass die First Mover den größten Nutzen haben. Eine KI kann schlicht Dinge besser, bei denen sich der Mensch schwertut. Musteranalyse, -erkennung und -vorhersagen machen wir Menschen mehr aus dem Bauch heraus. Das muss nicht schlecht sein. Im Handel haben die Mitarbeiter auf der Fläche ja viel Er­fahrung gesammelt. Aber bei großen Datenmengen und in chaotischen, veränderlichen Systemen stoßen wir schnell an unsere Grenzen. Genau damit hat ein Algorithmus keine Probleme. Auch geht dieses Wissen nicht mehr so schnell verloren. Ganz allgemein wird sich durch die hochwertigen Informationen das Einkaufserlebnis des Kunden verbessern lassen.

17.10.2019    Madeline Sieland
  • Drucken
Zur Startseite