Zeche in Essen
02.01.2020    Madeline Sieland
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Zeche Zollverein, Schacht 1. Es ist ein Ort von historischer Bedeutung für 
Haniel. Franz Haniel, ein Pionier im Zechentiefbau, förderte auf dem Gelände im Essener Norden erstmals im großen Stil Fettkohle durch einen vertikalen Schacht. Das war im Jahr 1851 – und Haniel trieb damit die gerade beginnende Industrialisierung im Ruhrgebiet maßgeblich voran.

Kohle wird in der Zeche Zollverein seit 1986 nicht mehr gefördert. Inzwischen ist das Gelände Unesco-Weltkulturerbe und ein Hotspot für Start-ups sowie 
die Kreativwirtschaft. „Die Zeche ist ein Reallabor des Wandels“, sagt Dirk Müller, Geschäftsführer von Schacht One. „Hier trifft alte Industrie auf Digitalisierung.“ Schacht One ist die vor drei Jahren gegründete Digitaleinheit von Haniel. Das Portfolio des Family-Equity-Unternehmens umfasst aktuell sechs Geschäftsbereiche, unter anderem CWS und TAKKT. Die Aufgabe von Müller und seinem Team: Sie sollen genau dort, wo schon einmal Zukunftsweisendes gelang, wieder Innovatives zutage fördern – und so das 1756 gegründete Duisburger Familienunternehmen 
in eine erfolgreiche digitale Zukunft führen.

Ein Blick auf die Wall of Fame

„Dabei geht es nicht in erster Linie um Produktinnovationen oder Forschung und Entwicklung, sondern um die Anwendung von neuen digitalen Technologien“, sagt Müller. Was das in der Praxis konkret heißt, 
zeigt ein Blick auf die „Wall of Fame“ im Schacht-One-Büro: Mehr als 30 Projekte wurden zusammen mit Experten aus den Haniel-Unternehmen inzwischen angestoßen. Und bei einigen wuchs die Idee tatsächlich zum Start-up heran.

„Die Zeche ist ein Reallabor des Wandels. Hier trifft alte Industrie auf Digitalisierung.“

Remetal ist eines davon. Es gehört zu ELG. Das Unternehmen handelt mit Rohstoffen für die Edelstahlindustrie sowie Hochleistungswerkstoffen wie Titan, bereitet sie auf und recycelt sie. Über die Online-Plattform von Remetal können nun auch Privatpersonen, Handwerker und kleine Unternehmen Abholtermine für ihren Schrott vereinbaren und werden dafür entsprechend bezahlt.

Ein weiteres Beispiel: my-nuju.de. „Das interne Start–up nutzt ein innovatives Textil von Bekaert-Deslee, einem Hersteller von Stoffen für Matratzenbezüge, und hat einen Kissenbezug entwickelt, der die Haut pflegt und regeneriert, während man darauf schläft“, so Müller. Und dann ist da noch Bueromoe-bel-online.de. „Hier haben wir zusammen mit dem B2B-Spezialversandhändler TAKKT in kürzester 
Zeit das Geschäftsmodell in Deutschland validiert.“

Schnelligkeit schlägt Perfektion

In kürzester Zeit – darauf kommt es an: Ist ein Kundenbedürfnis identifiziert, soll eine Idee möglichst schnell Marktreife haben. Einen „Beschleuniger für die Digitalisierung unseres Portfolios“ nannte Stephan Gemkow, Vorstandsvorsitzender der Franz Haniel & Cie., Schacht One bei der Gründung. Das heißt aber auch: Perfekt muss das erste Ergebnis noch nicht sein. Hauptsache machen. Learning by Doing eben. Oder aber: Denken wie ein Start-up. Was ein Traditionskonzern wie Haniel von einem Start-up lernen kann? „Vor allem das Mindset – also die absolute Kundenzentriertheit, eine Test- und Lernmentalität und eine andere Sicht auf Kennzahlen“, sagt Müller.

Die Projektentwicklung verläuft dabei sehr strukturiert. Schritt eins: zusammen mit Vertretern des jeweiligen Geschäftsbereichs die Handlungsfelder festlegen. Schritt zwei: gemeinsam Ideen mittels Design Thinking erarbeiten. Schritt drei: die Ideen mit der Zielgruppe validieren, also am Markt testen. „Sollte sich so ein Businessmodell finden lassen, wird die Idee mittels Lean-Start-up-Methodik in die Inkubation geführt“, sagt Müller. Dabei wird das Businessmodell auf Skalierbarkeit geprüft, also der Product-Market-Fit vorgenommen. Bis zu zwölf Monate dauert der Prozess. Danach wird entschieden, ob das Businessmodell als Start-up ausgegründet, in den Geschäftsbereich integriert oder aber beerdigt wird.

„Es muss ein klarer Zusammenhang zwischen der Innovationsaktivität und der Unternehmensstrategie vorhanden sein.“

Bei all dem spielt das Team eine zentrale Rolle. „Wichtig für uns ist, dass Innovation nicht technologiezentriert angegangen wird, sondern die Frage nach dem Kundenbedürfnis und dessen Monetarisierbarkeit im Vordergrund steht“, sagt Müller. „Entsprechend sollte auch das Team besetzt sein. Ein unternehmerisches Mindset mit genügend Drive, Dinge gestalten zu wollen, ist dabei unabdingbar.“

Viele Wege führen zur Innovation

Schacht One treibt ausschließlich bei Haniel-eigenen Firmen den Wandel voran. Um aber auch andere an den bisher gemachten Erfahrungen teilhaben zu lassen, kooperiert Schacht One seit einem Jahr mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ETL. Entstanden ist die Schmiede Zollverein, die Kunden bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle unterstützt.

Und woher weiß ein Unternehmer nun, welcher Weg der Beste ist, um Innovatives hervorzubringen? Muss es gleich eine Digitaleinheit sein? Reicht eine Kooperation mit Start-ups? Braucht es externe Berater? „Da gibt es keine Blaupause“, sagt Müller. „Nur eines kann ich sagen: Ein Start-up löst meine unternehmerischen Probleme nicht. Meine Empfehlung ist, das Thema sehr strukturiert anzugehen. Es muss ein klarer Zusammenhang zwischen der Innovationsaktivität und der Unternehmensstrategie vorhanden sein.“

Innovationen fördern: 3 Tipps

Dirk Müller von Schacht One rät „Innovation muss einen Sinn haben. Im Fall der digitalen Transformation ist das noch wichtiger, da diese manchmal sehr abstrakt daherkommen und Ängste schüren kann. Daher muss ein Unternehmenslenker klar kommunizieren, warum sich das Unternehmen auf die Reise begeben soll und welche Schritte dafür nötig sind. Drei Tipps dazu:

1. Fehlerkultur, Agilität, Entrepreneurship et cetera von der Belegschaft zu fordern, ohne dass das Managementteam selbst sichtbaren Willen zur Veränderung zeigt, ist extrem kontraproduktiv.

2. Bitte nicht nur mit disruptiven Beispielen aus der ­Branche hausieren gehen und dadurch Druck ausüben, sondern auch die Opportunitäten von Veränderung aufzeigen.

3. Auch auf die Belegschaft vertrauen und sich nicht zwangsläufig Heerscharen von Beratern ins Haus holen. Im Unternehmen finden sich garantiert Innovato­ren, die schon immer Veränderung vorantreiben wollten, es aber bisher nicht durften. Ihnen sollte man Hilfestellung anbieten.“

02.01.2020    Madeline Sieland
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