Porträt von Walter Haas
27.02.2020    Andreas Busch
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Der neue Mobilfunkstandard 5G bedeutet einen Quantensprung für die Telekommunikation. So misst Walter Haas, in Deutschland Chief Technology Officer des chinesischen Mobilfunkspezialisten Huawei, 5G auch „disruptive Dimensionen“ bei – insbesondere in Zusammenhang mit neuen Anwendungen, die durch 5G erst möglich werden.

Walter Haas

ist seit 2006 CTO von Huawei Technologies Deutschland. Zwei Jahre zuvor wechselte der Ingenieur vom Elektronikentwickler Vierling zu dem chinesischen Konzern. Seit 2013 gehört Haas zudem dem Hauptvorstand des Digitalverbands Bitkom an

Wie steht es um die Mobilfunkqualität in Deutschland?

Walter Haas: Diplomatisch formuliert: Sie ist vielleicht besser als ihr Ruf, aber bleibt teilweise deutlich hinter den Erwartungen zurück. Das jüngste Maßnahmenpaket der Mobilfunkstrategie der Bundesregierung zusammen mit den Mobilfunkbetreibern geht in die richtige Richtung, um das Hauptproblem der Abdeckung zu lösen. Es ist wichtig, dem LTE-Ausbau als Grundlage für die künftige 5G-Abdeckung weiter Impulse zu geben.

Wie schnell kann man ein Land von der Größe Deutschlands flächendeckend mit 5G versorgen?

Haas: Es ist normal, dass ein Ausbau sukzessive und anhand konkreter Bedürfnisse erfolgt. Im Rahmen der Frequenzauktion wurden klare Ziele für die Jahre 2023 und 2024 formuliert. Generell ist ein schneller Ausbau im besiedelten Raum möglich. Das zeigen ambitionierte Pläne in Südkorea oder China. Hier wird entscheidend sein, wie rasch eine nötige höhere Anzahl neuer Antennenstandorte erschlossen werden kann. Am Ende entscheiden aber nicht die Ausrüster wie Huawei das Ausbautempo, sondern die Netzbetreiber auf Basis Erfolg versprechender Geschäftsmodelle.

Welcher Veränderungen in der Infrastruktur bedarf es, um die riesigen Datenmengen, die über 5G ultraschnell von A nach B kommen, verarbeiten und speichern zu können?

Haas: Insgesamt wird 5G den Trend zur Cloud verstärken. Das heißt: Im Zuge der Digitalisierung und der Beschleunigung der Datenübertragung mit geringeren Latenzzeiten findet eine Verschiebung der Rechenressourcen vom Endgerät in nähere oder fernere Cloud-Zentren statt. Edge-Computing ist hier ein Schlagwort – und da werden Veränderungen in Netztopologie und -architektur notwendig sein. Ein Beispiel ist Cloud VR/AR, bei der die Rechenleistung weitgehend aus dem Cloud-Zentrum kommt und die Endgeräte nur zum Ausspielen der Inhalte genutzt werden. Oder eben auch Themen im Zusammenhang mit automatisiertem Fahren, wo Echtzeitanwendungen nahe am „Endgerät“ Fahrzeug stattfinden müssen.

Gemeinhin heißt es: Daten beziehungsweise deren Speicherung verbrauchen Unmengen Strom. Sie sagen: Bei 5G werden pro Bit 90 Prozent an Energie im Vergleich zu 4G eingespart. Woher kommt diese enorme Ersparnis?

Haas: Das ist eigentlich nur Physik. Zwei wesentliche Maßnahmen spielen eine Rolle: Einerseits ist die neue Luftschnittstelle ein Stück weit effizienter als LTE; ein weiterer Aspekt ist, dass die Sendeenergie bei 5G viel genauer auf die einzelnen Endgeräte fokussiert. Wesentlich ist aber, dass der erreichbare Datendurchsatz im Vergleich zum Energieverbrauch deutlich überproportional ansteigt.

Wie definieren Sie persönlich Innovation?

Haas: Innovationen sind vielfältig und können sowohl disruptiv als auch graduell sein. Beim Mobilfunk gibt es zum Beispiel Zwischenstufen zwischen 4G und 5G. LTE etwa ist graduell über Jahre hinweg technologisch weiterentwickelt worden. Immer wenn Kompatibilität zu vorhandenen Techniken notwendig ist – wie eben in Mobilfunknetzen –, sehe ich eher „evolutionsartige“ Innovationen. Natürlich gibt es dann auch disruptive Dimensionen. Diese erwarte ich im Kontext von 5G eher in zukünftigen neuen Anwendungen, die 5G als „enabling“-Technologie nutzen – auch im Zusammenspiel mit Künstlicher Intelligenz.

Welche politischen, gesellschaftlichen oder technologischen Rahmenbedingungen fördern oder hemmen Innovationen?

Haas: Das ist ein weites Feld. Am wichtigsten sind natürlich die Menschen, die Innovationen hervorbringen. Dafür benötigt es ein gutes Bildungssystem, aber eben auch ein gesellschaftliches Umfeld, das Menschen zu Innovationen motiviert. Nicht zu vernachlässigen ist natürlich auch Kapital und eine gewisse Risikobereitschaft und Hartnäckigkeit. Manchmal braucht es viele Jahre, einer Innovation zum Durchbruch zu verhelfen.

Welche Rolle spielt Deutschland für Huawei?

Haas: Deutschland ist für uns ein wichtiger Markt in Europa, aber auch ein bedeutender Standort für Anwendungsforschung. Der größte Standort der 18 Forschungszentren, die wir europaweit haben, befindet sich in München und hat über 400 Mitarbeiter. Gleichzeitig haben wir viele deutsche Industriepartner, mit denen wir an Zukunftsthemen wie vernetztem Fahren und Industrie 4.0 arbeiten.

Was bietet China, was Sie in Deutschland vermissen?

Haas: Von China kann Deutschland sich sicherlich etwas Digitalisierungsenthusiasmus und vor allem Umsetzungsgeschwindigkeit abschauen.

27.02.2020    Andreas Busch
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