Eine Skizze von Windrädern auf einer Weide die Windenergie generieren
15.09.2020    Manuel Kunst
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Sturm ist erst, wenn die Schafe keine Locken mehr haben: Stürmisch definiert man im Norden Deutschlands an den Küsten eben etwas anders. Was manch einen Urlauber vielleicht stört, freut Energieversorger. Denn für die Produktion von grünem Wasserstoff sind die salzigen Böen eine unverzichtbare Energiequelle. Das sagt Dr. Urban Keussen, Technikvorstand beim Versorger EWE. Auch deshalb müsse Energieversorger hierzulande dringend der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen.

Zur Person

Ein Portrait von Urban Keussen

Dr. Urban Keussen

ist seit März 2018 beim Energieunternehmen EWE tätig, wo er im Vorstand das Ressort Technik leitet. Zuvor war er unter anderem Vorsitzender der Geschäftsführung der TenneT TSO

EWE will mit Partnern den Nordwesten zum „Wasserstoff-Hub“ machen. Wie wollen Sie Ihre Vision realisieren?

Urban Keussen: Der Nordwesten Deutschlands hat das Potenzial, das Drehkreuz für den Energieträger Wasserstoff zu werden. In dieser Region wird viel erneuerbare Energie produziert, vor allem Windenergie an Land als auch auf See. In unserem Netzgebiet beträgt der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bereits mehr als 90 Prozent. Die Windenergie der Nordsee gelangt über Seekabel an Land und wird dort an das Stromnetz angebunden. Aufgrund der vorhandenen Hafen-Infrastruktur kann importierter Wasserstoff hier anlanden und über bestehende Infrastrukturen weitertransportiert und gespeichert werden. Zusätzlich können wir Wasserstoff in unseren Salzkavernen großtechnisch speichern.

Im vergangenen Jahr sagten Sie auf dem Münchner Energiekongress, dass die deutsche Energiewende zu scheitern drohe. Wie stehen Sie heute dazu?

Keussen: Zu Beginn dieses Jahres trugen viel Wind und Sonne sowie der Corona-bedingte Einbruch beim industriellen Stromverbrauch dazu bei, dass der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix EU-weit über 40 Prozent betrug, während der Anteil des fossilen Stroms bei 34 Prozent lag. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, ändert aber nichts an den Rahmenbedingungen für den Ausbau erneuerbarer Energien. Die Genehmigungsverfahren dauern zu lange. 20 Monate braucht es im Schnitt für die Zulassung einer Windenergieanlage an Land. Unter diesen erschwerten Bedingungen können wir nicht schnell genug ausbauen.

Wie kann sich Deutschland die Industrieführerschaft in Sachen Wasserstoff sichern?

Keussen: Mit den in Deutschland geltenden Rahmenbedingungen ist die Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff nicht wirtschaftlich. Die Nutzung von fossilen Energieträgern ist aktuell deutlich günstiger. Zudem müssen wir Technologien, zum Beispiel die Elektrolyse zur Gewinnung von grünem Wasserstoff, zügig voranbringen, damit wir Skalen­effekte nutzen und den Wasserstoff wirtschaftlich erzeugen können. Der Markthochlauf setzt aber voraus, dass die Rahmenbedingungen für den Aufbau und den Betrieb von Elektrolyse-Anlagen Anreize schaffen. Das gelingt nicht, wenn für den erneuerbaren Strom, mit dem grüner Wasserstoff erzeugt wird, Umlagen und Ab­gaben zu entrichten sind.

15.09.2020    Manuel Kunst
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