Illustration von Mann mit einer verschlüsselten Cloud
21.04.2020    Miriam Rönnau
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Lifesize unterstützt Unternehmen mit Video­konferenzen, COYO stellt sein Social Intranet binnen 24 Stunden zur Verfügung, Statista bietet alle relevanten Daten zum Coronavirus an – alles kostenlos. Diese Maßnahmen sollen die rasante Umstellung auf Homeoffice in vielen Firmen im Zuge der Coronapandemie erleichtern. In Krisenzeiten erscheinen solche Schritte solidarisch – und können als Teil einer Corporate Digital Responsibility (CDR) verstanden werden. Sofern dahinter nicht nur reines Marketingkalkül steckt.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt

„Corporate Social Responsibility, sprich CSR, ist als unternehmerische Sozial- und Gesellschaftsverantwortung in vielen Unternehmen stark verankert“, sagt Christopher Koska, CDR-Experte und Partner des Beratungsunternehmens dimension2. CDR kann als eine Erweiterung von CSR verstanden werden, indem die unternehmerische Gesellschaftsverantwortung um Digitalisierungsaspekte ergänzt wird. In der Praxis gehen Unternehmen dabei zwei Wege. Auf der einen Seite werden CSR und Digitales miteinander verbunden. Sprich: Die Unternehmen bearbeiten digitale Themenfelder. Dazu gehört etwa der verantwortungsvolle Umgang mit Daten, insbe­sondere mit kundenspezifischen Informationen.

Auf der anderen Seite wählen Unternehmen digitale Formate für ihre CSR-Maßnahmen aus. Dazu zählen ökologische Fragen und die Klimaproblematik, aber auch jene Anbieter, die sich etwa in der Coronakrise dazu verpflichtet sehen, ihre digitalen Angebote der Gesellschaft kostenfrei zugänglich zu machen. „Doch bei solchen Initiativen muss man immer genauer hinschauen“, sagt Koska mahnend. „Handelt es sich wirklich um CDR-Maßnahmen? Oder ist dies nur ein vorgeschobenes Argument?“

Wenn etwa der selbstbestimmte Umgang mit Daten, wie die eigenständige Verwaltung des Profils beim kostenfreien Account eines E-Learning-Anbieters, ausgeklammert werde, so Koska, stelle sich die Frage, ob solche Schulungsunterlagen wirklich gleichermaßen unter diesen Verantwortungsbegriff fallen. Auch kann es sein, dass beispielsweise der Anbieter einer Fitness-App für die kostenfreie Nutzung des Angebots für das Homeoffice wirbt, dahinter aber keine gesellschaftliche Verantwortung steht, sondern nur wirtschaftliches Interesse. Etwa um Kunden mit dem Angebot vertraut zu machen und dann dauerhaft durch Verträge zu binden – und im schlimmsten Fall dabei keinerlei ethische Aspekte berücksichtigt.

Engagement lohnt sich

Doch weshalb sollten sich Unternehmen mit CDR-Maßnahmen befassen, wenn sie davon nicht profitieren? Ganz einfach: Es geht sowohl beim CSR als auch beim CDR um eine Win-win-Situation. Wenn Unternehmen mit Mitarbeitern und Kunden in den offenen Dialog treten und etwa das Thema Datenschutz sehr ernst nehmen, baut das Vertrauen auf. Das bindet – und macht sich etwa beim Employer-Branding und damit im „War for Talents“ positiv bemerkbar.

Das Bundesjustizministerium hat 2018 die CDR-Initiative ins Leben gerufen, an der sich Unternehmen beteiligen konnten. Im April 2019 wurden erste Ergebnisse zur Entwicklung von Leitlinien für eine CDR vorgestellt. „Als Gesetzgeber geben wir klare Regeln vor, aber in der Praxis müssen Unternehmen Datenschutz und Datensicherheit mit Leben füllen“, so die damalige Bundesjustizministerin Dr. Katarina Barley bei der Präsentation der Ergebnisse. Zudem können die Unternehmen mit einer freiwilligen CSR- und/oder CDR-Strategie dem Gesetzgeber vorauseilen und so hoffen, strengeren Regelungen zuvorzukommen. Das gilt auch für die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

„Das Thema CDR oder Datenethik lässt sich nicht auf das Thema DSGVO beziehungsweise Datenschutz reduzieren“, so Koska. Auch nach dem Inkrafttreten der DSGVO wird stets neu reflektiert, ob die bestehenden rechtlichen Regulierungen der konkreten Nutzungspraxis standhalten. „Setzt sich ein Unternehmen mit CDR auseinander, hat es die Möglichkeit, dort einzuwirken, wo Grauzonen sind. Entweder indem es versucht, alle Möglichkeiten auszunutzen, oder indem es Verantwortung zeigt und vo­rangeht.“

Sensible Daten schützen

In einigen Branchen klappt dies besser als in anderen. „Die Gesundheitswelt wird zwar immer digitaler. Doch die Branche hat sich selbst noch keine verbindliche digitale Ethik gegeben“, sagt Jürgen Rothmaier, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der BARMER im Interview. Deshalb hat die Krankenkasse selbst ethische Grundsätze für den Umgang mit digitalen Innovationen entwickelt – und kommuniziert diese auch offen an Mitarbeiter und Kunden. Grundsätzlich gilt: Je mehr Unternehmen mit sensiblen Daten arbeiten, desto besser sind sie beraten, dabei ethische Standards zu setzen.

Gut informiert, mehr gewonnen

Digitale Ethik und CDR – auch wenn die Begriffe auf den ersten Blick ähnlich wirken, bezeichnen sie nicht das Gleiche. „Digitale Ethik kann als ein weiterer Bereich von CDR verstanden werden“, erklärt Koska. Unternehmen tun gut daran, sich bei ihrer CDR-Strategie genau zu überlegen, auf welchen Ebenen sie sich engagieren wollen. Neben der CDR-Ini­tiative des Justizministeriums lohnt sich auch ein Blick auf die Arbeit der Datenethikkommission der Bundesregierung, deren Gutachten 75 Empfehlungen zum Umgang mit Daten und algorithmischen Systemen einschließlich Künstlicher Intelligenz enthält.


Social versus Digital Responsibility

Ökologie, Ökonomie und Soziales in Einklang bringen – das ist Ziel einer CSR-Strategie. Sie beruht für die meisten, aber nicht für alle Unternehmen auf Freiwilligkeit.

Dax-Unternehmen, Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sind seit 2017 dazu verpflichtet, einen CSR-Bericht zu veröffentlichen. Auch Mittelständler, die Teil einer Lieferkette sind, haben darüber zu berichten, wie es um die Nachhaltigkeit bei den Zulieferern bestellt ist.

Wer die unternehmerische Gesellschaftsverantwortung um Digitalisierung ergänzt, handelt im Sinne einer CDR-Strategie.

CDR beruht grundsätzlich auf Freiwilligkeit. Unternehmen sollten dabei keine wirtschaftlichen Interessen oder ihre Wertschöpfungskette im Blick haben. Vielmehr geht es etwa darum, sich zu einem verantwortungsvollen Umgang mit sensiblen Daten zu verpflichten, damit für Transparenz zu sorgen und Vertrauen bei Mitarbeitern und Kunden aufzubauen.

21.04.2020    Miriam Rönnau
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