Ein vernetzter Straßenverkehr ist das Ziel von Toyota Kinto
28.04.2020    Manuel Kunst
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Die Automobilindustrie befindet sich in einer Phase des Umbruchs. Internationale IT-Unternehmen mischen sich in die autonome Mobilität ein und üben Druck auf traditionelle Autohersteller aus. Toyota erkannte frühzeitig das neue Marktpotenzial. Neben dem Kerngeschäft will das Unternehmen nun mit KINTO breitere Kundenkreise erschließen, sagt Augustín Martín, CEO von Toyota Connected Europe.

Zur Person

Ein Portrait von Agustín Martín

Agustín Martín

hat an der Universität Valencia BWL studiert und arbeitet seit knapp 25 Jahren für Toyota. Neben seiner Tätigkeit als CEO bei Toyota Connected Europe ist Martín seit Anfang dieses Jahres Vice President Connected Technologies bei Toyota Motor Europe.

Autonomes Fahren wird künftig Teil des Alltags sein. Welche Vorteile bieten vernetzte Autos?

Agustín Martín: Die Unterstützung der Automatisierung von Fahrzeugen ist nur einer der Vorteile der Verkehrsvernetzung. Dank der Konnektivität können wir Kundenbedürfnisse antizipieren und intuitive Dienste anbieten, die Mobilität reibungslos, sicherer und bequemer machen. Zudem profitiert die Gesellschaft von der Fahrzeugkonnektivität. Automobilhersteller könnten beispielsweise Behörden anonymisierte Fahrzeugdaten zur Verfügung stellen, um die Verkehrssicherheit zu verbessern.

Aus geschäftlicher Sicht wird durch die Analyse der gesammelten Daten unsere Technik, Qualitätskontrollen und Produktplanung stetig verbessert. Auf deren Grundlage werden Mobilitätsdienste konzipiert, die auf die zukünftigen Verkehrsanforderungen unserer Kunden und der Gesellschaft reagieren. Außerdem ist denkbar, anderen Dienstleistungsanbietern, von Start-ups bis hin zu Global-Playern, Fahrzeugdaten für ihre Produktentwicklung zu Verfügung zu stellen.

Wie weit ist Toyota bei der Entwicklung einer umfassenden Verkehrsvernetzung?

Martín: Wenn von Verkehrsvernetzung die Rede ist, muss zwischen diversen Anwendungsfällen unterschieden werden. Fahrzeug-zu-Fahrzeug- oder Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation, wie etwa Ampeln, dienen einem anderen Zweck als beispielsweise die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Zahlungsterminal. Der erste Fall dient einem lebenswichtigen Sicherheitszweck, welcher Kommunikationsgeschwindigkeiten bis auf die Millisekunde benötigt, während der zweite Fall ein Komfortdienst ist, der manipulationssichere Online-Zahlung voraussetzt. In beiden Fällen hängt die Umsetzung auch von der Bereitschaft anderer Beteiligter und Partner im Ökosystem ab. Wir können deshalb den Zeitpunkt der Implementierung nicht genau vorhersagen. In Japan verfügen wir jedoch bereits über mehr als 100.000 angeschlossene Fahrzeuge, die ITS Connect nutzen, eine Form dedizierter Kurzstreckenkommunikation, die eine Kommunikation von Fahrzeug-zu-Fahrzeug und von Fahrzeug-zu-Infrastruktur ermöglicht.

Verbraucherschützer haben Bedenken bezüglich der Risiken großer Datenmengen geäußert. Wie geht Toyota damit um?

Martín: Wir nehmen die Frage des Datenschutzes sehr ernst. Nicht nur, um geltende Gesetze und DSGVO-Vorschriften strikt einzuhalten, sondern vor allem, weil uns das Vertrauen unserer Kunden wichtig ist. Toyota hat sich einen Ruf der Zuverlässig- und Vertrauenswürdigkeit aufgebaut, der von unserem treuen Kundenstamm geschätzt wird. Wir bleiben dieser Tradition treu und geben daher keine Fahrzeugdaten an Dienstleister außerhalb des Toyota-Ökosystems weiter. Wenn wir dies tun, dann nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Kunden und mit gründlichen Maßnahmen zur Verhinderung von Datenmissbrauch.

Regelmäßige Updates sind bei autonomen Fahrzeugen unerlässlich. Die Over-the-Air-Methode könnte eine effiziente Lösung sein. Aber: Ist sie ausreichend gegen Angriffe von Hackern gesichert?

Martín: Cybersicherheit hat für Toyota höchste Priorität. Moderne Fahrzeuge werden oft als „Smartphone-on-Wheels“ beschrieben – als Plattformen für verbundene Dienste. Doch damit endet der Vergleich. Fahrzeuge erfordern in jeder Hinsicht viel höhere Sicherheitsstandards. Over-the-Air-Updates sind in unserer aktuellen Produktreihe noch
nicht implementiert. Für die nächste Generation von Fahrzeugen arbeiten wir jedoch mit den striktesten Sicherheitsrichtlinien an dieser Technologie. Darüber hinaus sind wir Teil mehrerer globaler oder regionaler Initiativen zur Festlegung von Standards und zur Ausarbeitung von Vorschriften zur Cybersicherheit.

Innovation ermöglicht Marktteilnehmern mit neuen Einnahmequellen an die Automobilindustrie heranzutreten. Beispiel: Versicherungsgesellschaften bewerten die Leistung der Fahrer, um maßgeschneiderte Tarife zu berechnen. Inwieweit verändern innovative Geschäftsmodelle wie diese das traditionelle Geschäftskonzept?

Martín: Bereits 2018 sagte Akio Toyoda: „Die Technologie in unserer Branche verändert sich schnell, und das Rennen geht weiter.“ Unsere Konkurrenten stellen längst nicht mehr nur Autos her und kommen mittlerweile auch aus der IT-Branche. Google, Apple und Facebook sind Unternehmen, die mir da in den Sinn kommen. Toyota reagiert angemessen darauf, indem es sich von einem Autohersteller zu einem Mobilitätsunternehmen wandelt. Um das Beste aus der datengesteuerten Wirtschaft zu machen, muss Toyota Partnerschaften mit anderen Unternehmen eingehen. Infolgedessen haben wir vor kurzem die Mobilitätsmarke KINTO eingeführt. Wir glauben, dass diese Marke eher mit neuen Marktteilnehmern als mit traditionellen Automobilkonzernen konkurrieren wird. Mit KINTO wird Toyota einen neuen und breiteren Kundenkreis, wie etwa Unternehmen oder Städte, für integrierte, bedarfsorientierte Mobilitätsdienste erschließen.

28.04.2020    Manuel Kunst
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