Porträt von Christophe Hocquet und Jorge Marx Gomez
20.12.2019    Michael Sommer
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Zur Person

Illustration von Christoph Hocquet

Christophe Hocquet

ist seit 2015 CEO der Brille24 Group und forciert in dieser Funktion die Transformation vom Online-Händler zum Tech-Unternehmen Zuvor gründete er bereits mehrere Start-ups, darunter den Mobile-Content-Spezialisten Moustik und die Werbeagentur Pixelpark France

Zur Person

Illustration von Prof. Jorge Marx Gomez

Professor Dr. Jorge Marx Gómez

ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Carl von Ossietzky
Universität Oldenburg und wissenschaftlicher Leiter im OFFIS, dem
Oldenburger An-Institut für Informatik. Zwei seiner Schwerpunkte sind die Anwendung Künstlicher Intelligenz und Data Science

DUB UNTERNEHMER-Magazin: Wie kam Ihre Zusammenarbeit zustande?

Christophe Hocquet: Brille24 wurde 2007 von einer Gruppe junger Unternehmer gegründet, die teilweise ihren Hochschulabschluss an der Universität Oldenburg gemacht haben. Daraus haben sich natürlich schon die ersten Berührungspunkte ergeben.

Jorge Marx Gómez: Zur damaligen Zeit entstand bei uns der Lehrstuhl für Entrepreneurship, der sich mit allen Themen rund ums Gründungsmanagement befasst. 2011 hat die Uni Oldenburg zudem eines von bundesweit nur drei Gründungs- und Innovationszentren zugesprochen bekommen, die vom Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie gefördert wurden. Damit bieten wir Gründern bis heute eine leistungsfähige Infrastruktur.

Hocquet: Wie andere Unternehmen auch, haben wir im Lauf der Jahre immer wieder Projekte ausgeschrieben, die von Studierenden im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten umgesetzt wurden. Vor zwei Jahren haben wir aber noch mal ein neues Level erreicht.

Womit genau?

Hocquet: Zunächst mal hat sich unser Fokus intern verschoben. Das Thema Künstliche Intelligenz ist immer stärker in den Mittelpunkt gerückt. Wir haben das Potenzial erkannt, das die Lösungen in diesem Bereich für uns als Online-Händler mit dem sehr komplexen Produkt „Brille“ eröffnen. Unser Ziel ist seither, als technologischer und digitaler Vorreiter in der Branche voranzugehen. In der Universität – und ganz besonders im Fachbereich IT – haben wir dafür einen perfekten Partner gefunden.

Marx Gómez: Die Universität hat seit 2018 den Status „In­novative Hochschule“ inne, mit dem deutschlandweit nur wenige Universitäten ausgezeichnet wurden. Im Verbund mit der Jade Hochschule und dem universitären An-Institut OFFIS am Institut für Informatik wollen wir den wechselseitigen Austausch mit Wirtschaft, Gesellschaft, Behörden und Kultureinrichtungen intensivieren und so die Innovationskraft der Region steigern. Insgesamt werden sieben Teilprojekte durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit etwa zwölf Millionen 
Euro gefördert. Hierzu zählt auch das „Innovation(s)Labor digital“, das ich wissenschaftlich begleiten darf. Gemeinsam mit den Unternehmen und OFFIS, mit denen wir in einer Transferpartner­schaft zusammenarbeiten, geben wir dem Standort Oldenburg und der Region ein digitales Profil.

Was unterscheidet Ihre Kooperation von anderen?

Hocquet: Für mich als Unternehmer ist es das erste Mal, dass die Zusammenarbeit mit einer Hochschule so eng und so konkret stattfindet. Wir integrieren die Studierenden bei uns wie ganz normale Mitarbeiter. Ihre Arbeit fließt dabei nicht bloß in unsere Projekte ein. Sie ist selbst ein wichtiger Teil unserer Forschung und Entwicklung. Als Schnittstelle haben wir hierfür im vergangenen Jahr eine eigene Unit gegründet, das „Brille24 Research Team“, das als Stabstelle nicht in das operative Geschäft eingebunden ist und bislang auch keine Profitziele erreichen muss. Wir haben zudem einen Mitarbeiter am Lehrstuhl angestellt, der eigens für die Koordinierung unserer gemeinsamen Projekte zuständig ist.

Marx Gómez: Die Universität Oldenburg kooperiert insgesamt natürlich mit vielen Partnern – gerade auch im Fachbereich Informatik, in dem wir sehr praxisorientiert arbeiten. Die Zusammenarbeit mit Brille24 ist aber schon sehr stark institutionalisiert und fördert so auch für alle Seiten sehr positive Ergebnisse zu Tage. Mit anderen Worten: Wir reden nicht nur, wir machen es auch.

Die digitale Transformation ist ein wichtiger Treiber Ihrer Zusammenarbeit, und KI liegt gerade im Trend.

Hocquet: Es geht hier um deutlich mehr als einen Trend. Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sie ist Mittel zum Zweck. Es gibt zwei Dinge, an die ich fest glaube: zum einen, dass die Technologie den Menschen befreit. Gemeint ist die Demokratisierung der Bildung, insbesondere durch den freien Zugang zu Wissen. Der zweite Punkt ist das Thema Nachhaltigkeit. Wie werden wir auf der Erde leben, wenn wir eine Bevölkerung von neun oder zehn Milliarden Menschen erreicht haben? Auch hier spielt Technologie eine entscheidende Rolle. Für unsere strategische Ausrichtung als digitales Unternehmen sind das sehr wichtige Themen.

Marx Gómez: Künstliche Intelligenz liegt im Trend – ja. Wenn man aber genau hinschaut, passiert bei zu vielen Unternehmen nur sehr wenig, auch wenn sie das Label „KI“ verwenden. Viele verstehen darunter nur die Automatisierung von Prozessen. Selbstlernende Algorithmen gab es auch schon vor 30 Jahren. Der Unterschied ist, dass wir heute deutlich schnellere Maschi
nen haben.

Hocquet: Wir haben zuletzt aber schon einen signifikanten Durchbruch erlebt, und zwar im Machine Learning oder – um es genauer zu sagen – im Bereich Deep Learning. Indem wir Algorithmen in der Datenanalyse eine komplexe Struktur mit vielen Ebenen geben, sind diese mittlerweile in der Lage, auch unstrukturierte Daten zu interpretieren. Heraus kommen korrekte Ergebnisse, von denen man aber nicht genau weiß, wie sie zustande kommen. Es ist ein bisschen wie Magie.

Marx Gómez: Das stimmt, dabei handelt es sich definitiv um ein Novum und eine wichtige Weiterentwicklung. Für Unternehmen ist es aus diesem Grund noch wichtiger zu verstehen, dass Daten ein wirtschaftliches Gut sind. Dieses Verständnis ist essenziell, um Prozesse wirksam zu optimieren und letztlich auch neue Geschäftsideen zu entwickeln.

Woran denken Sie da im Speziellen?

Marx Gómez: Es gibt unzählige Möglichkeiten. Ein naheliegendes Beispiel ist etwa die Logistik.

Hocquet: Richtig. Für uns ist zum Beispiel das Thema Predictive Speed sehr spannend. Wenn sich ein Kunde eine Brille anschaut, möchten wir ihm sagen können, wann er sie zu Hause anprobieren kann. Das wäre ein großer Fortschritt.

Marx Gómez: Damit verwandt sind auch die Themen Predictive Maintenance sowie Predictive Analytics. 
Das Zusammenführen und Verschneiden von Daten – hierauf wird in den kommenden Jahren ganz sicher ein besonderer Schwerpunkt liegen, um das Potenzial von Deep Learning voll auszuschöpfen.

20.12.2019    Michael Sommer
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