Geldanlage Aktien
19.05.2020    Arne Gottschalck
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Früher war alles einfacher. Fußball war laut, an der Börse gab es einfache Wahrheiten, die schon fast an Bauernweisheiten erinnerten. Heute ist Fußball leise – Geisterspiele machen es möglich. Und die einfachen Wahrheiten an der Börse? Sie scheinen Geschichte zu sein. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie, die Lieferketten zerschlägt und damit ganze Industrien zwingt, sich neu aufzustellen.

Immer wieder liest man derzeit zum Beispiel, die Geschichte der Globalisierung sei auserzählt. Einfach, weil Lieferketten durchtrennt wurden, Unternehmen ihre Produktion nach unten gefahren haben. Weil Firmen darüber nachdenken, die Produktion zurück nach Europa zu holen. Das Ende der Globalisierung?

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Von wegen „this time it’s different“

An das Ende der Globalisierung glaubt Matthias Born von Berenberg nicht. Der Head of Investments und CIO Equities weiter: „Dafür ist China einfach viel zu günstig.“ Mit anderen Worten: Es ist für Unternehmen allein aus Kostengesichtspunkten gut, sich dort aufzustellen. Auch Christoph Bruns, Vorstand und Fondsmanager von Loys, winkt ab – die Globalisierung gehe weiter. Ein „this time it’s different“ sieht auch Thomas Kruse nicht. Kruse ist Mitglied der Geschäftsführung und CIO von Amundi Asset Management. Dieses Zitat war noch nie richtig, sagt er.

Diesmal ist alles anders? Sicherlich nein. Obwohl, vielleicht ein wenig anders. Denn es war keine Krise, die aus der Wirtschaft kam, sagt André Ruegg, CEO von Bellevue Asset Management, „so wie die Finanzkrise oder meinethalben die Tulpenkrise. Die Corona-Krise kam von außen. Wir haben viele Mediziner bei uns. Und deren Einschätzung lautet: Der Virus bleibt.“ Entsprechend müssen Investoren sich aufstellen.

Auch wenn die Analyse der Gesprächspartner Unterschiede zeigt, die Antwort auf die Krise ist die gleiche: Streuung ist zwar ein altes Konzept, aber eben eines, das funktioniert. Streuung über Regionen? Nein, das ist nicht zwingend das Kriterium, findet Born. Einfach, weil der Sitz eines Unternehmens wenig aussagt. Und nur saisonal zu investieren, wie „sell in may and go away“ nahelegt? Die Experten winken ab. Wichtiger sei die Streuung über Small Caps, Mid Caps und Blue Chips – also kleine Werte, mittelgroße und die Schwergewichte der Börsen. Ein Satz, den Amundi-Experte Kruse unterstreicht.

Tech als Treiber?

Wichtig ist aber auch, ein Auge auf technologische Entwicklungen zu haben, sagt Axel Daffner, Geschäftsführer der Pegasos Capital und Fondsmanager des ART Transformer Equities. Denn Homeoffice & Co sorgten dafür, dass entsprechende Dienstleister an der Börse deutlich besser dastehen als andere. Gehen Unternehmen klug mit solchen Neuerungen um, hilft diese Technologie ihnen, am Markt zu bestehen. Schon jetzt helfen digitale Anwendungen zum Beispiel auch, eine Produktion überhaupt erst nach unten fahren zu können. Und dann wieder nach oben.

„Tina“ lässt grüßen

Und die Börsen dürften auch davon profitieren, dass es weiterhin langfristige Treiber gibt, etwa die Liquidität, wie Kruse sagt. In anderen Worten: Weil die Zentralbanken mit niedrigen Zinsen für viel Geld sorgen, dürfte viel in Aktien fließen und damit auch die Kurse anschieben. Unter Börsianern ist das als Tina-Prinzip bekannt: „There is no Alternative“, es gibt keine Alternative.

Kann das dazu führen, dass manche Unternehmen höher bewertet werden als es ihnen eigentlich zukommt? Durchaus möglich. „Einsteigen muss man, wenn es weh tut“, sagt Bruns. Das ist eine Gelegenheit. Damit liegt er auf einer Argumentationslinie mit Altmeister Warren Buffett, der erst beim jüngsten Aktionärstreffen von Berkshire Hathaway noch einmal die Bedeutung langfristigen Investierens bei Aktien unterstrich.

Eine gute Zeit für aktives Fondsmanagement. Weil gerade im Small- und Midcap-Bereich viele Papiere mehr als nur einen Blick wert sind. Weil sich in den Nischen so manche Perle findet. Und – eines ist zurzeit vielleicht tatsächlich anders. „Die Geschwindigkeit der Reaktionen, sowohl nach unten wie nach oben“, sagt Kruse. Doch gerade deshalb ist langfristiges Anlegen so wichtig. Das dürfte ganz im Sinne von Buffett sein.

19.05.2020    Arne Gottschalck
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