16.09.2020    Kai Makus
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„Betongold” – diesen Spitznamen haben sich Immobilien schon in einigen Krisen mit Sicherheit verdient. In Deutschland erfreute sich diese Anlageklasse in den vergangenen Jahren eines wahren Booms: Zuwanderung aus dem Ausland und in die Innenstädte ließ die Preise für Wohnungen und Häuser explodieren, niedrige Hypothekenzinsen und eine brummende Konjunktur sorgten für gute Finanzierungsbedingungen und sprudelnde Mieteinnahmen. Kapitalanleger profitierten von diesen Entwicklungen über Immobilienfonds.

Beendet die Corona-Pandemie jetzt diesen langjährigen Auftrieb? Welche Auswirkungen gibt es auf einzelne Marktsegmente? Wie verändert der Trend zum Homeoffice den Büroimmobilienmarkt? Wo gibt es Chancen, wo lauern Risiken? Einige Antworten auf diese Fragen lassen sich aus dem Herbstgutachten 2020 des deutschen Branchenverbandes ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss ableiten.

Die wichtigsten Aussagen zusammengefasst:

Büroimmobilien

Bei Büroimmobilien seien die Auswirkungen der Pandemie „bislang gering“, so Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter der Unternehmensberatung bulwiengesa. Zwar wurden im ersten Halbjahr 2020 nur zwei Drittel der Bürofläche des Vorjahreszeitraums umgesetzt, doch wiesen Großanmietungen im Sommer bereits auf eine gewisse Erholung hin: „Ein einschneidender Nachfrageeinbruch aufgrund rückläufiger Beschäftigung im Bürobereich ist derzeit nicht zu erwarten.“ Bei „sehr moderat“ gesenkten angebotsseitigen Planungen erwartet Schulten „weiterhin niedrige Leerstandsraten“. Das stimuliert Büromieten, sodass er von einer Seitwärtsbewegung in den großen Städten ausgeht.

Vorausblickend macht der Unternehmensberater zwei entscheidende Faktoren aus: Die Zahl der im Büro Beschäftigten und die Fläche, die jeder von ihnen nutzt. Schulten verweist dabei auf zwei gegensätzliche Trends: Den einen hin zum Homeoffice, der die benötigte Fläche tendenziell senkt – zum anderen neue Abstands- und Hygieneregeln, die mehr Raum notwendig machen.

Die Ausweitung von Homeoffice-Regelungen könnte den Platzbedarf um zehn Prozent gegenüber 2019 mindern, schätzt Schulten. Für den Markt war bisher aber die Zahl der Büromitarbeiter entscheidender. So habe sich zwar die Bürofläche pro Kopf seit 2006 im Schnitt um 2 auf 25 Quadratmeter verringert. Zugleich arbeiteten auch rund zwei Millionen Menschen mehr im Büro. „Diesem Effekt ist eine größere Hebelwirkung für den Immobilienmarkt zuzuschreiben als etwa Details in der branchenabhängigen Arbeitsorganisation.“

Einzelhandels- und Hotelimmobilien

Rund 80 Prozent der mehr als 475.000 Einzelhandelsbetriebe in Deutschland mussten im Lockdown zwangsweise schließen – fast jedes vierte Handelsunternehmen hat laut Herbstgutachten staatliche KfW-Hilfskredite in Anspruch genommen, etwa die Hälfte seine Mietzahlungen ausgesetzt. Autor Michael Gerling, Geschäftsführer des EHI Retail Institute in Köln, warnt angesichts der auch nach Aufhebung der Maßnahmen verhaltenen Konsumlaune vor einer Pleitewelle, welche die Branche im Herbst erfassen könnte, sollten die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht verlängert werden. Zudem spürt der stationäre Handel schon lange die scharfe Konkurrenz aus dem Internet. Künftig dürfte daher der Markt für Shoppingcenter und Objekte in Fußgängerzonen an Dynamik einbüßen, während Fachmärkte und Nahversorger mit passendem Einzugsgebiet weiterhin Stabilität versprechen, so Gerling.

Noch schwieriger bewertet Gutachter Schulten die Lage im Hotelbereich: Die Übernachtungszahlen lagen im ersten Halbjahr um 47 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Schwer getroffen wurden auch Angebote in Messe- und Kongressstädten. Insgesamt rechnet der Berater „eher in den Jahren 2023/2024“ mit einer Erholung, zumal „viele touristische Quellmärkte weitaus stärker vom Coronavirus betroffen sind“. Das hat Folgen: Erste Banken nehmen von der Hotelfinanzierung Abstand, im zweiten Quartal wurden bundesweit nur acht Hotelimmobilien gehandelt. Schultens Prognose ohne weitere staatliche Hilfen: „Kleine mittelständische Hotelbetriebe mit geringen Liquiditätsreserven und veralteten Konzepten werden aufgeben, der Einfluss finanzstarker Hotelketten zunehmen.“

Logistik- und Pflegeimmobilien

„Logistikimmobilien werden derzeit als Krisengewinner angesehen“, heißt es im Herbstgutachten: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres investierten Unternehmen demnach mit knapp 3,9 Milliarden Euro 57 Prozent mehr in Lager und Logistik als im Vorjahreszeitraum. Neben dem wachsenden Onlinehandel scheinen sichere Lieferketten in Zeiten der Pandemie wichtiger als eine kosteneffiziente Supply Chain. „Logistikimmobilien werden daher auch in den nächsten Jahren stabile, resiliente Investments darstellen“, urteilt Berater Schulten.

Defensiv und konjunkturunabhängig – das macht Pflegeimmobilien zurzeit begehrt, zumal sie einen nachhaltigen Cashflow versprechen. Die Kehrseite laut Schulten: Steigende Kosten für Bau und Grundstücke drücken die Renditen. Derzeit liegen diese im Seniorenbereich in Spitzenlagen allerdings noch bei jährlich rund 4,3 Prozent bei Pflegeheimen, beim Betreuten Wohnen sind es etwa 3,5 Prozent.

Wohnimmobilien

„Der Wohnimmobilienmarkt zeigt sich bislang unbeeindruckt von der Corona-Pandemie und ihren Folgen“, schreibt das Vorstandsmitglied des Marktforschers empirica, Harald Simons, im Herbstgutachten mit Blick auf A-Lagen, also die größten deutschen Städte. Kein Einbruch im Wohnungsbau, wachsendes Angebot, steigende Preise für Eigentumswohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser: „Staatliche Unterstützung wie das Kurzarbeitergeld, aber auch Liquiditätshilfen für Selbstständige und private Reserven kompensieren bislang Einkommenseinbußen.“ Daher seien Mietrückstände bisher ebenso ausgeblieben wie ein sprunghafter Anstieg von Zwangsversteigerungen. Risiken sieht Simons im Falle eines zweiten Lockdowns, wenn Rücklagen aufgezehrt sind. Dann dürfte die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum steigen.

Eine eher positive Prognose gibt Carolin Wandzik, Geschäftsführerin beim Hamburger GEWOS Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung, für den Wohnungsmarkt jenseits der A-Lagen ab: Sie hält nach den Erfahrungen des Lockdowns „Veränderungen der Wohnpräferenzlage“ für denkbar. Ihre Argumente: Der Wunsch nach mehr Fläche könnte ebenso wachsen wie der nach Wohnen im Grünen, Pendeldistanzen bei mehr Homeoffice an Bedeutung verlieren. „Das Umland der Städte, aber auch ländliche Räume mit entsprechender Anbindung an wirtschaftsstarke Regionen gewinnen an Bedeutung“, prognostiziert Wandzik. Der Trend kann sich aus ihrer Sicht durch den Ausbau des schnellen Internets und ein mögliches „Recht auf Homeoffice“ noch verstärken.

Was Anleger tun sollten

Wer zum Beispiel in ein Mehrfamilienhaus investiert hat und selbst als Vermieter der Wohnungen auftritt oder dies plant, dürfte sich in nächster Zeit nicht allzu große Sorgen um sein Investition machen müssen. Ähnliches gilt für Anleger, die auf Immobilienfonds mit Schwerpunkt Wohnimmobilien setzen. Diese dürften in Reinform allerdings eher selten zu finden sein – die meisten Fonds mischen ihren Immobilienstand aus verschiedenen Marktsegmenten, um Risiken zu streuen und so zu minimieren.

Daher sollten sich Fondsanleger die Zeit nehmen und einen genauen Blick auf ihr Investment werfen. Fonds, die sich auf die Segmente Einzelhandel und Hotels fokussieren, scheinen für die nahe Zukunft kaum die besten Renditechancen zu versprechen. Bei Büros ist das Bild nicht ganz so eindeutig. Hier spielt die Lage zurzeit wohl eine noch größere Rolle als in der Branche ohnehin üblich. Fonds, die bereits auf eine hohe Beimischung von Logistikimmobilien oder Wohnungen – zum Beispiel für Studenten oder Senioren – setzten, könnten sich vorerst als stabilere Investition herausstellen.

16.09.2020    Kai Makus
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