01.07.2020    Arne Gottschalck
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Der Zahlungsabwickler Wirecard hat gerade Insolvenz beantragt. Ein schlechtes Signal für Deutschland?

Klares „Ja“ von Karl Reinitzhuber. Es ist ein Vertrauensschaden, sagt der Co-CEO und CFO von Carestone. Das Unternehmen hat sich auf die Entwicklung von Pflegeimmobilien spezialisiert und dieses Segment für die Anleger als qualitativ hochwerte Alternative auf die Landkarte gehoben. Reinitzhuber weiß um die erhebliche Bedeutung von Vertrauen für Anlageentscheidungen. Seine Einschätzung in Sachen Wirecard: Es werde viel Arbeit erfordern, dieses Vertrauen wiederherzustellen.

„Für Deutschland ist das peinlich“, urteilt Karl Matthäus Schmidt. Er ist Vorstandsvorsitzender der Quirin Bank und des Robo-Advisors quirion. Das Besondere an seinem Institut: Statt von Produktgebern wie etwa Fondsanbietern eine Provision zu erhalten, stellt Quirin den Kunden ein Beratungshonorar in Rechnung, ähnlich wie etwa Steuerberater. Die Bank verdient laut Schmidt seit sieben Jahren unter dem Strich Geld mit diesem Modell.

„Das Signal, das von Wirecard ausgeht, ist umso trauriger, als es in Deutschland ohnehin nur rund zehn Millionen Aktionäre bei run 80 Millionen Einwohnern gibt“, sagt Schmidt. In der Schweiz läge die Aktionärsquote zwischen 30 und 40 Prozent.

Die Digitalisierung gilt als machtvoller Trend. Haben Sie Angst vor den FAANG-Unternehmen?

Die Abkürzung FAANG steht für die bekanntesten Tech-Firmen der Welt, Facebook, Amazon, Apple, Netflix und den Google-Betreiber Alphabet. Zusammen sind das die, grob gerechnet, wertvollsten Unternehmen der Welt. Immerhin macht ihre Marktkapitalisierung aufaddiert rund 15 Prozent des breiten US-Aktienindex S&P 500 aus. Und auf den Tech-Index Nasdaq 100 kalkuliert sind es gut 40 Prozent. Viel Geld, viel Feuerkraft – und viel Kreativität im Silicon Valley gebündelt.

Kein Wunder, dass Banker Schmidt mit viel Respekt über den Atlantik schaut. Immerhin könnten die Banken die Schnittstelle zum Kunden verlieren. Das Geschäft machen dann womöglich die Tech-Unternehmen. Für Reinitzhuber stellt sich die Lage etwas anders dar: „Pflegeimmobilien sind ein Nischenprodukt.“ Trotzdem bleibt der Respekt von FAANG & Co. „Denn die Identifizierung der Kaufwilligen könnte monopolisiert werden.“ Eine echte Gefahr für ihn. Immerhin haben die Tech-Riesen nahezu unbegrenzten Zugriff auf die Daten der Menschen.

Was könnte den Weg in die technisch geprägte Zukunft der Finanzunternehmen beschleunigen?

Niemand dürfte bezweifeln, dass der Trend zur Digitalisierung unaufhaltsam ist. Die große Frage ist nur: Welche Industrie trifft es wie hart? Die Banken hätten lange in der Komfortzone gelebt, sagt Schmidt. Und bringt Zahlen: „Es gibt rund 28.000 Bankfilialen in Deutschland –Aldi und Lidl gemeinsam bringen es nur auf gut 8000 Niederlassungen.“ Und niemand kann behaupten, die Versorgung sei schlecht. „Wir stehen vor Umwälzungen“, sagt er. Mit dem Robo-Advisor quirion hat er sich bereits auf den Weg gemacht.

Wie sieht die Zukunft der Finanzindustrie aus?

Denkbar sind Avatare, welche die Beratung wahrnehmen. Oder „Wearables“, die den Puls eines Kunden messen und damit dessen Risikotoleranz. Für Schmidt liegt die Zukunft darin, den eingeschlagenen Weg weiter zu beschreiten. Beratung wird online angeboten, offline oder in Kombination.

Für Immobilienentwickler Reinitzhuber kann die Blockchain ein echter Faktor werden. Derzeit sei der Kauf eines Pflegeapartments noch eine Lebensentscheidung. Einfach, weil 100.000 Euro für die meisten Menschen eben nicht im Vorübergehen zu stemmen sind. Aber was, wenn man so ein Apartment nähme, in 1000 virtuelle Scheiben schnitte und diese Einzelteile in der Blockchain sicher verwahre und verwalte? Eine Idee, die Reinitzhuber sichtlich gefällt. Zunächst will er aber weiter an der Qualitätssicherung seines Hauses arbeiten. Um noch besser zu verstehen, wie Pflegeimmobilien das Leben der Bewohner noch besser machen können. „Know your market“? Diese Regel gilt unabhängig vom Stand der Digitalisierung.

Der Video-Call wurde von Jens de Buhr, Verleger des DUB UNTERNEHMER-Magazins, moderiert. Zu Gast waren:

  • Dr. Karl Reinitzhuber, Co-CEO / CFO Carestone Group GmbH
  • Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender Quirin Privatbank AG und quirion AG
01.07.2020    Arne Gottschalck
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