Eine kleine europäische Vorstadt
20.08.2020    Andreas Busch
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Mit einer Wohneigentumsquote von 45 Prozent liegt Deutschland im europäischen Vergleich im hinteren Drittel, beklagt Dirk Botzem, Vorstand bei der Debeka Bausparkasse. Er führt das auch auf falsche Regulierung durch die Politik und teure Erwerbsnebenkosten, vor allem eine zu hohe Grunderwerbsteuer, zurück. Für alle, die sich von diesen Hemmschuhen nicht abschrecken lassen, hat Botzem eine Reihe von Ratschlägen parat. Diese können auf dem Weg zur eigenen Immobilie – nicht zuletzt als ein Teil der privaten Altersvorsorge – helfen.

Zur Person

Ein Portrait von Dirk Botzem

Dirk Botzem

ist Mitglied des Vorstands der Debeka Bausparkasse und Dezernent für die Bereiche Controlling und Finanzen, Grundsatz, Marktfolge, Personal, Revision sowie Vertriebsunterstützung

Haben sich die Immobilienpreise durch Corona verändert?

Dirk Botzem: Die Antwort ist ein klares Ja – und zwar tendenziell weiter nach oben. Obwohl es während der Krise zeitweise eine Zurückhaltung auf Verkäufer- wie Käuferseite gab, hat sich bei den Preisen kein Rückgang gezeigt. Ich glaube, dass gerade der Lockdown und der damit verbundene Zwang, geraume Zeit daheim verbringen zu müssen, vielen Menschen einen neuen Blick auf das eigene Zuhause gegeben hat. Es macht einen großen Unterschied, ob ich während des Lockdowns mehrere Wochen oder Monate in einer Einzimmerwohnung ohne Balkon verbringen muss oder ob ich die Zeit in einem kleinen Häuschen mit Garten überbrücken darf. Zudem glaube ich, dass sich das Stadt-Land-Gefälle bei den Preisen durch Corona und die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt abflachen wird. Wohnen auf dem Land wird deutlich attraktiver. Und das führt zu relativ höheren Preissteigerungen in ländlichen Regionen.

Wie sicher ist das Eigenheim als Altersvorsorge in Krisenzeiten?

Botzem: In allen Krisen zeigt sich, dass Sachwerte die bessere Alternative sind. Das war bei der großen Inflation im vorigen Jahrhundert schon der Fall – und das ist auch dieses Mal so. Der Grund liegt darin, dass man das bis zur Rente abgezahlte Eigenheim nutzen kann und keine Miete zahlen muss. So entgeht der Eigenheimbesitzer den während einer Krise typischerweise steigenden Mieten. Er gewinnt quasi doppelt. Sein Eigenheim wird durch die Vermögenswertinflation auf der einen Seite mehr wert, und auf der anderen Seite spart er sich höhere Mietzahlungen. Ganz abgesehen von dem guten Gefühl, beizeiten die Weichen für die Altersversorgung richtig gestellt zu haben.

Ist Bausparen nur für Bauherren in spe attraktiv oder auch generell als Anlageprodukt für junge Leute?

Botzem: Beides ist der Fall. Für Bauherren und jene, die es mal werden wollen, ist Bausparen das Mittel der Wahl, um zielgerichtet und staatlich gefördert Eigenkapital anzusparen. Daneben fungiert Bausparen als Instrument, mit dem man sich das derzeit historisch niedrige Zinsniveau für die Zukunft sichert, selbst wenn viele junge Leute Zinsen nur vom Hörensagen kennen. Attraktiv ist Bausparen gerade auch für junge Menschen, denn die staatliche Förderung mittels Wohnungsbauprämie und Arbeitnehmersparzulage oder gegebenenfalls Riester-Zulage machen Bausparen zu einem renditereichen Produkt, mit dem man zudem das Sparen und Vorsorgen lernt.

Wann ist der Zeitpunkt für den Bau oder Kauf eines Eigenheims günstig?

Botzem: Der Zeitpunkt ist dann richtig, sobald die individuelle Bedarfssituation eintritt, beispielsweise die Familiengründung, und man über das notwendige Eigenkapital verfügt. Wenn man also abschätzen kann, wo das Eigenheim liegen soll und wie groß es sein soll.

Wie viel Eigenkapital muss für die Baufinanzierung aufgewendet werden?

Botzem: Das ist unterschiedlich und hängt in erster Linie von der Bonität eines Kunden ab. Tendenziell kann man sagen: Je mehr Eigenkapital vorhanden ist, desto größer ist die Chance, ein günstiges Baudarlehen zu bekommen. Und das gilt ebenso für die Bonität. Ein verbeamtetes Ehepaar hat in der Regel bessere Chancen als ein Selbstständigen-Ehepaar. Und auch eine sogenannte 100-Prozent-Finanzierung ist nicht ohne ein Mindestmaß an Eigenkapital darstellbar, da Banken in der Regel die Nebenkosten nicht mitfinanzieren. Und die 100 Prozent beziehen sich auf den Beleihungswert, der im Normalfall deutlich unter dem Verkehrswert liegt. Will etwa jemand ein Haus für 300.000 Euro bauen oder erwerben und die Bank verlangt 20 Prozent Eigenkapital, so sind dies 60.000 Euro, die man benötigt, damit die Bank die restlichen 240.000 Euro finanziert. Und da es quasi keine Zinsen mehr gibt, muss man, um 60.000 Euro anzusparen, etwa zehn Jahre lang jeden Monat 500 Euro sparen. Das ist für viele Menschen sehr viel Geld. Und für die 300.000 Euro bekommt man mancherorts auch nicht sehr viel Wohneigentum.

Wie flexibel sollte die Baufinanzierung sein? Und was tun, wenn für den Bau mehr Geld erforderlich wird?

Botzem: Eine Finanzierung sollte immer auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sein und Optionen wie etwa Sondertilgungen oder einen Wechsel der Tilgungshöhe beinhalten. Wobei Flexibilität auch Geld kostet. Eine Bank lässt sich diese Optionen in der Regel vom Kunden durch Zinsaufschläge vergüten. Wird mehr Geld für den Bau erforderlich, sollte eine Nachfinanzierung erfolgen, sofern nicht ein Puffer eingebaut war. Oder man reduziert die Dimension des Bauvorhabens. Nicht dringende Maßnahmen können in die Zukunft gestreckt werden.

Wie hoch sollte die Darlehenssumme sein, wie hoch die Tilgung?

Botzem: Die Darlehenssumme sollte bei Neubauten einen gewissen Puffer für Unvorhergesehenes beinhalten. Beim Kauf ist das nicht erforderlich – es sei denn, Renovierungen oder Ähnliches sind vorgesehen oder nötig. Bei der Tilgung empfehlen wir im Regelfall, diese so zu wählen, dass man mit dem voraussichtlichen Eintritt in den Ruhestand schuldenfrei ist, da mit Renteneintritt in der Regel das verfügbare Einkommen deutlich sinkt.

Wie können die Angehörigen im Todesfall des Darlehensnehmers abgesichert werden?

Botzem: Das ist insbesondere dann wichtig, wenn es nur einen Hauptverdiener gibt, was bei jungen Familien sehr oft der Fall ist. In diesen Fällen ist eine Lebensversicherung immer bedarfsgerecht. Sollte der Beitrag für diese Lebensversicherung neben den Zins- und Tilgungsraten nur schwer tragbar sein, besteht die Möglichkeit, das Darlehen während der Laufzeit ganz oder teilweise tilgungsfrei zu stellen und am Ende aus der fälligen Lebensversicherung zurückzuzahlen. Nutzt man während dieser Zeit ein etwaiges Sondertilgungsrecht, indem man zum Beispiel die Entnahmen aus einem Riester-Vertrag dafür verwendet, bleibt von der fälligen Lebensversicherung oft noch etwas übrig.

Wie kann man von Förderungen der KfW profitieren?

Botzem: Die KfW hat ein umfangreiches Produktportfolio, um Bauen, Kaufen, Renovieren oder Modernisieren zu fördern. Auch das Baukindergeld, das ich auf jeden Fall für eine sinnvolle Finanzierungsmöglichkeit halte, wird über die KfW vergeben. Insofern ist für jeden Bauherren etwas dabei, und KfW-Produkte sind Teil jeder gut aufgebauten Finanzierung.

Wie kann die Politik Bausparer besser unterstützen?

Botzem: Die zum 1. Januar 2021 kommenden Verbesserungen der Wohnungsbauprämie und Arbeitnehmersparzulage zeigen, dass die Politik die Bedeutung des selbst genutzten Wohneigentums zumindest zum Teil erkannt hat. Mit dem Thema Wohnen kann man Wahlen gewinnen oder verlieren. Nach meinem Dafürhalten ist die Politik immer noch zu sehr auf vermeintliche Mieterinteressen fokussiert und versucht, mit marktfeindlichen und vermutlich verfassungswidrigen Regelungen, etwa dem Mietendeckel, ein Problem zu lösen, das es nicht geben müsste, wenn die Wohneigentumsquote in Deutschland eine andere wäre. Wir liegen mit 45 Prozent im europäischen Vergleich im hinteren Drittel. Die Einwohner Italiens sind im Schnitt vermögender als die Deutschen.

Woran liegt das?

Botzem: Weil die Wohneigentumsquote in Italien 77 Prozent beträgt und das Wohneigentum die Hauptvermögensquelle ist. Also wäre der Politik zu raten, alles zu tun, um mehr Menschen ins Eigenheim zu bringen und dabei zu helfen, Vermögen aufzubauen. Hierzu leistet Bausparen einen bedeutenden Beitrag. Aber vor allem muss Bauen billiger werden. Und viele Regelungen, etwa energetische Anforderungen oder die sehr hohen Erwerbsnebenkosten, allen voran die Grunderwerbsteuer, sollten auf den Prüfstand kommen. Nebenbei bemerkt: Im Ergebnis entlastet jedes neu geschaffene Wohneigentum den Mietmarkt. So wird das Pferd richtig herum aufgezäumt.

20.08.2020    Andreas Busch
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