Euro-Scheine in einem Portemonnaie
07.02.2021    Andreas Busch
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Zur Person

Portraitbild von Tim Thabe

Dr. Tim Thabe

ist Vorstandsvorsitzender der creditshelf AG. Der Executive MBA von der Kellogg-WHU ist CFA Charterholder und hat an der Universität Mannheim zur Bewertung von Kreditrisiken promoviert. Er arbeitete zuvor bei Goldman Sachs in London und bei der UBS in Zürich in verschiedenen Positionen im Kreditsektor

Creditshelf konnte 2020 das ausstehende Kreditvolumen wieder deutlich ausweiten. Besteht in der Pandemie ein erhöhter Kapitalbedarf der Unternehmen?

Tim Thabe: Wir haben gemerkt, dass die Krise den Kapitalbedarf der Unternehmen im Jahresverlauf 2020 erheblich beeinflusst hat. Mit Beginn des ersten Lockdown im März haben wir einen sprunghaften Anstieg der Kreditnachfrage gespürt. Ursächlich ist sicherlich die massive Unsicherheit und die damit verbundene Stärkung der kurzfristigen Liquidität. Mit Start der Förderprogramme von Bund und Ländern hat dies wieder nachgelassen und die Nachfrage hat sich wieder einigermaßen normalisiert respektive wurde durch die subventionierten Kreditangebote der öffentlichen Hand schwächer.

Neben diesen eher kurzfristigen Maßnahmen haben wir aber in 2020 auch beobachtet, dass es trotz Krise und Rezession weiterhin Bedarf an Wachstumsfinanzierungen gab und gibt. Zahlreiche Geschäftsmodelle, insbesondere aus den Branchen E-Commerce, Software-as-a-Service oder Digitalisierungsunterstützung haben teilweise kräftig zugelegt – mit entsprechendem Bedarf an Wachstumskapital. Diese Nachfrage kann, insbesondere wenn es sich um noch junge Unternehmen handelt, nicht vollumfänglich von traditionellen Banken bedient werden.

Woran liegt das?

Thabe: Wir haben von vielen Unternehmern gehört, dass die Banken insbesondere im Sommer ausschließlich mit den Förderanträgen ausgelastet waren. Das Segment Wachstumsfinanzierungen hat in erheblichem Umfang zu unserem Erfolg in 2020 beigetragen und wir sind stolz, als digitale Kreditplattform unseren Beitrag zur Stärkung und Stabilisierung des deutschen Mittelstands geleistet zu haben. Ich bin überzeugt, dass unser Wachstum ohne den erneuten Lockdown im November und Dezember noch stärker gewesen wäre. Von daher kann man nicht pauschal sagen, dass der Kreditbedarf in der Pandemie steigt, sondern dass dies differenziert zu betrachten ist.

Wie steht es bei Ihnen um notleidende Kredite? Wächst ihr Anteil in der Krise und was sind diesbezüglich Ihre Erwartungen für das Jahr 2021?

Thabe: Im Geschäftsjahr 2020 hatten wir keine signifikanten, coronabedingten Kreditausfälle zu verzeichnen. Diese bis dato hohe Resilienz unseres Portfolios zeigt, dass wir eine gute Qualität bei unserem Selektionsmodell und unserer Risikoanalyse erreicht haben.

Was das Jahr 2021 bringt, bleibt aber abzuwarten. Wir sind in einem engen Austausch mit unseren Kunden. Aber klar ist auch, dass die Puffer weniger werden und jeder Monat Lockdown die Situation für die deutsche Wirtschaft verschärft. Wir gehen aber grundsätzlich davon aus, dass die von zahlreichen Ökonomen prognostizierte schnelle Erholung der deutschen Volkswirtschaft in dieser Form eintritt und in unserem Kundenstamm entsprechend sichtbar wird.

Hat sich der durchschnittliche Zins der von creditshelf ausgegebenen Kredite über die vergangenen zwölf Monate erhöht? Wenn ja, um wie viele Prozentpunkte? Und können Sie die Zinsspanne der von creditshelf gewährten Kredite beziffern?

Thabe: Im vergangenen Jahr hatten die von uns arrangierten Kredite eine durchschnittliche Verzinsung von 8,8 Prozent und somit knapp 50 Basispunkte mehr als im Vorjahr. Grundsätzlich starten wir mit einem Zinsangebot ab vier Prozent. Im Einzelfall kann der Zins auf etwas über zehn Prozent steigen.

Wie hoch ist der Anteil der arrangierten Kredite am angefragten Volumen?

Thabe: Den angefragten Kreditvolumina von 1,5 Milliarden Euro standen 99 Millionen Euro arrangierte Kredite gegenüber. Mit dieser Konvertierung von sechs bis sieben Prozent sind wir für so ein herausforderndes Jahr sehr zufrieden. Es zeigt unsere nachhaltige Strategie, dass wir eine solide Risikoanalyse vor blindes Wachstum stellen. Das sind wir auch unseren Investoren schuldig.

Der jüngste „Bank Lending Survey“ der Deutschen Bundesbank zeigte unter anderem, dass viele Unternehmen mit Krediten erwartete Coronahilfen vorfinanzieren. Beobachten Sie dies ebenfalls, und was geschieht, wenn die Hilfen – etwa aufgrund nachträglicher Regeländerungen – dann doch nicht gewährt werden?

Thabe: Grundsätzlich analysieren wir die Unternehmen anhand aktueller Unternehmensinformationen aus ihren Buchhaltungssystemen und dem Zahlungsverhalten. Natürlich schauen wir auch auf die anderen Kreditgeber und sehen hier häufig Förderkredite aus den Corona-Sonderprogrammen. Eine reine Vorfinanzierung von zu erwartenden Coronahilfen habe ich in dieser Reinform nicht beobachtet. Dies mag bei speziellen Branchen wie Tourismus oder Gastronomie der Fall sein, die wir allerdings so gut wie nicht im Portfolio haben.

Schließen Sie Unternehmen bestimmter Branchen grundsätzlich von der Kreditvergabe aus?

Thabe: Branchen wie Glücksspiel, Pornographie oder Rüstung schließen wir seit Start unserer Plattform kategorisch aus. Darüber hinaus haben wir keine fest definierten Ausschlussbranchen, aber natürlich analysieren wir die verschiedenen Branchen kontinuierlich. So haben wir wie gesagt zum Beispiel so gut wie kein Exposure in den aktuell besonders von der Krise getroffenen Bereichen Gastronomie, Hotellerie und Tourismus.

Akzeptieren Sie auch semi-professionelle Anleger als Finanzierungspartner für die Kreditvergabe? Wenn ja, ab welchem Investitionsvolumen?

Thabe: Wir verfolgen eine Fundingstrategie mit ausschließlich professionellen und institutionellen Investoren. Hierzu zählen neben Banken, Versicherungen und Pensionskassen auch Family Offices oder kleinere Vermögensverwaltungen. Von daher sehe ich alle unsere Investoren als höchst professionelle Investoren mit entsprechender Erfahrung und Risikoerfahrung.

Aktuelles Beispiel ist hier die Amsterdam Trade Bank, die seit Kurzem unsere Kreditplattform als Zugang für Investitionen in die höchst attraktive Assetklasse deutsche Mittelstandskredite nutzt – zunächst in einer Höhe von 40 Millionen Euro. Ich glaube, dass gerade jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um als professioneller Investor in den deutschen Mittelstand zu investieren. Privates Fremdkapital wird hier dringend benötigt, um den raschen Aufschwung auch finanziert zu bekommen. Wir sind daher offen für weitere Investoren.

07.02.2021    Andreas Busch
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