Grafik: Euros schießen aus Kanone
06.11.2020    Johanna Steinschulte
  • Drucken

Besonders Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen wurden teils hart von der Corona-Krise getroffen. Um den Schaden abzufedern, halfen Bund und Länder mit schnellen Finanzspritzen. Alleine in NRW wurden in nur zwei Monaten 430.000 dieser Soforthilfen ausbezahlt.

Doch die Förderungsbedingungen waren oft unklar. Drohen den Kleinstunternehmen und Selbstständigen bald hohe Rückzahlungen? Experte Stefan Buschmann, Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht, klärt über die aktuelle Lage auf.

Update vom 12. Oktober 2020:

Corona-Soforthilfen – Muss jetzt zurückgezahlt werden?

Einige Bundesländer hatten bereits im Sommer damit begonnen, von den Empfängern von Corona-Soforthilfen detaillierte Angaben zu den Voraussetzungen und der Verwendung der Gelder zu verlangen, um gegebenenfalls zu Unrecht ausgezahlte Beträge zurückzufordern. Diese Rückforderungen sind vorerst ausgesetzt, da die Bundesregierung und die Bundesländer die Diskussion aufgenommen haben, unter welchen Voraussetzungen eine Rückzahlung erfolgen soll.

Diese Gespräche sind – trotz bisweilen anderslautender Informationen – aktuell noch nicht abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund hat sich nach meiner Einschätzung die Ausgangslage nicht verändert: Wer keinen offiziellen Rückforderungsbescheid vorliegen hat, sollte vorerst nichts unternehmen.

In den seltenen Fällen, in denen schon ein solcher Bescheid vorliegt, sollte unbedingt die Hilfe eines Rechtsanwaltes oder Steuerberaters in Anspruch genommen werden, um den Vollzug dieser Forderung zu verhindern beziehungsweise bis zu einer Klärung der allgemeinen Rechtslage aufzuschieben.

Aktuell halte ich unverändert die Rechtsauffassung für vertretbar, nach der einer Aufforderung zur Angabe detaillierter Wirtschaftsdaten nicht nachgekommen werden muss. Das gilt nach meinem Dafürhalten zumindest so lange, wie keine einheitliche Regelung unter Mitwirkung der Bundesregierung hierzu ergangen ist.

Fazit: Ohne Vorliegen eines Rückforderung-Bescheides ist daher vorerst nichts zu unternehmen. Die weitere Entwicklung sollte jedoch regelmäßig geprüft werden.

Wie steht es um die Erleichterungen bei der Insolvenz-Antragspflicht?

Bis zum 30.9.2020 war die Verpflichtung zur Anzeige der Insolvenz dann ausgesetzt, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Unternehmens auf der COVID-19-Pandemie beruhte und eine Beseitigung der bestehenden Zahlungsunfähigkeit nicht aussichtslos erschien. Das galt jedoch nur für solche Unternehmen, die nicht schon bereits am 31.12.2019 zahlungsunfähig waren.

Nun hat der Gesetzgeber beschlossen, dass für den Zeitraum vom 1.10. bis zum 31.12.2020 die Pflicht zur Anzeige der Insolvenz nur noch in den Fällen der Überschuldung eines Unternehmens ausgesetzt werden soll. Die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens verpflichtet somit den Geschäftsführer – ungeachtet der COVID-19-Pandemie – seit dem 1.10.2020 wieder zur fristgerechten Anzeige der Insolvenz.

Begründet wird diese Handhabung mit dem Hinweis, dass heute zahlungsunfähige Unternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach dem Ende der Pandemie ihre Tätigkeit nicht wirtschaftlich werden weiterführen können.

Da im Falle der bloßen Überschuldung bei einer positiven Fortbestehensprognose für das Unternehmen keine drohende Insolvenz angezeigt werden muss, eine solche, in die Zukunft gerichtete Prognose aber aufgrund der aktuellen Unwägbarkeiten des Marktes nicht verlässlich aufzustellen ist, sollen diese Unsicherheiten nicht zur Stellung eines möglicherweise nicht erforderlichen Insolvenzantrages verpflichten. Sowohl die bis zum 30.09. und in modifiziert Form nunmehr bis zum 31.12.2020 geltenden Regelungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht überzeugen nicht wirklich:

Eine Corona-bedingte Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung wäre ja nur dann unbeachtlich, wenn das Unternehmen wieder derart erfolgreich agieren würde, dass die vorhandene Unterdeckung zeitnah ausgeglichen werden könnte.

Dieser Umstand mag für manche Unternehmen zutreffen, für weitaus größten Teil der voraussichtlich betroffenen Unternehmen aus den Bereichen Gastronomie, Veranstaltungen, Touristik und so weiter helfen diese Regelung nicht weiter und schieben zu treffende Entscheidungen hinaus. Man darf dem Gesetzgeber daher durchaus eine politische Motivation unterstellen, denn auf diese Weise wird der zu erwartende, dramatische Anstieg an Insolvenzen mit seinen Folgen für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt in den Zeitraum nach der Pandemie beziehungsweise des Abflauens der Pandemie verschoben.

Fazit: Die zeitweise Aussetzung der Insolvenzantragspflicht dürfte der Gesamtwirtschaft wenig helfen, verhindert aber eine unter Umständen nicht mehr kontrollierbare Zusammenballung der COVID-19-Probleme.

Interview vom 5. August 2020:

Zur Person

Portrait: Stefan Buschmann

Stefan Buschmann

ist seit 1997 als Rechtsanwalt und Steuerberater tätig. Heute liegen seine Schwerpunkte auf Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Vertragsrecht und finanzgerichtliche Verfahren. Er betreut vorwiegend mittelständische Unternehmen in sämtlichen handels- und gesellschaftsrechtlichen Belangen.

Müssen Unternehmen, die jetzt wieder Erlöse erzielen, die geleisteten Soforthilfen nun tatsächlich zurückzahlen?

Stefan Buschmann: Vorab – die Voraussetzungen für eine Rückzahlung sind zum heutigen Zeitpunkt nicht abschließend geklärt.

Das Land Nordrhein-Westfalen hatte Anfang Juli das Rückmeldeverfahren gestartet – also die Überprüfung der Berechtigung für die Auszahlung der Soforthilfen durch detaillierte Nachfrage zur wirtschaftlichen Situation. Dieses Rückmeldeverfahren wurde wegen einer Vielzahl offener Punkte angehalten. Derzeit versuchen der Bund und die einzelnen Länder gemeinsame Kriterien zu entwickeln, nach denen gewährte Soforthilfen gegebenenfalls zurückgefordert werden.

Also sollte – auch wenn bereits Rückmeldeverfahren oder Rückforderungen seitens des zuständigen Bundeslandes zugegangen sind – bis zu einer Klärung der Kriterien für eine Rückforderung nichts unternommen und folglich auch nichts zurückgezahlt werden.

Aufgrund der getroffenen Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern ist folgendes festzuhalten:

  • Die Soforthilfen sollen gemäß den Vorgaben des Bundes „Zur Finanzierung von Verbindlichkeiten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand […] ausgezahlt werden.“

 

  • Der Antragsteller muss bei seiner Antragstellung versichern, dass „die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach-und Finanzaufwand […] zu zahlen, also ein Liquiditätsengpass vorliegt.

 

  • Die Bewilligungsstelle, zum Beispiel die Investitionsbank des Landes, muss die zweckentsprechende Verwendung der Soforthilfe stichprobenartig und bei Vermutung zweckfremder Nutzung prüfen.

Einzelne Bundesländer gehen aufgrund der vorgenannten Vorgaben davon aus, dass sämtliche Auszahlungen zu überprüfen sind. Hierbei wird ein detaillierter Nachweis dafür verlangt, dass die Liquiditätslage Corona-bedingt für die drei Monate nach Antragstellung existenzbedrohend war. Hierzu wird eine detaillierte Aufstellung der Einnahmen/Ausgaben und eine Gegenüberstellung mit den Zahlen des Vorjahres verlangt.

Grundsätzlich ist also festzuhalten, dass die heutige Liquiditätslage nur dann entscheidend ist, wenn der relevante Dreimonatszeitraum den Monat Juli beziehungsweise August mitumfasst. Erfolgte zum Beispiel die Antragstellung Ende Mai, gelten als relevanter Zeitraum die Monate Juni, Juli und August.

Was passiert, wenn die Vorgaben des Bundes umgesetzt werden?

Buschmann: Wenn sich diese – meines Erachtens nach falsche – Umsetzung der Vorgaben des Bundes durch die Bundesländer durchsetzt, dann muss von Folgendem ausgegangen werden:

Reichen die Zuflüsse aus der unternehmerischen Tätigkeit in den drei Monaten nach Antragstellung aus, die laufenden betrieblichen Kosten – Lebenshaltungskosten sind ausdrücklich nicht in Abzug zu bringen! – zu decken, dann ist die Soforthilfe vollständig zurückzuzahlen. Das gilt bei dieser strengen Auslegung auch dann, wenn in den nachfolgenden drei Monaten keinerlei Einnahmen mehr erzielt werden und der Antragsteller also dann „verspätet“ in Existenznot gerät.

Wie bewerten Sie als Experte diese Regelung?

Buschmann: Eine solche, formale Betrachtungsweise geht meines Erachtens nach vollständig am Ziel der Soforthilfe vorbei. Wie im Geschäftsleben üblich, werden Soloselbstständige zu Beginn der Pandemie noch Geldzuflüsse aus bereits erbrachten Leistungen vor der Pandemie haben und somit ihre Kosten – teilweise – begleichen können. Der Liquiditätsengpass setzt in vielen Fällen ja erst zeitlich versetzt ein – nämlich dann, wenn während der Pandemie keine Aufträge erteilt werden und deren üblicherweise zu erwartende Zahlung ein, zwei Monate später ausbleibt.

Meines Erachtens nach schießen diese detaillierten und umfassenden Nachfragen weit über das gebotene Maß hinaus: Eine derart umfassende Überprüfung sehen die Vorgaben des Bundes für die Soforthilfe nicht vor. Auch irritiert es, dass der anfangs hochgelobte, unbürokratische Auszahlungsvorgang nunmehr in ein neues Bürokratiemonster münden soll.

Gibt es bereits gesicherte Informationen, in welcher Höhe eine Rückzahlung ausfallen könnte, ob Ratenzahlungen möglich sind und wie viel Zeit man für eine Rückzahlung hätte?

Buschmann: Nein, es gibt derzeit keine konkreten Vorgaben an die Bundesländer für die Ausgestaltung etwaiger Rückzahlungen. NRW verlangte in dem nun ausgesetzten Verfahren eine Rückzahlung bis Ende des Jahres. Hier bleibt abzuwarten, ob und auf welche Regelungen sich der Bund mit den Ländern verständigt. Auch wenn es im Falle einer späteren Rückforderung keine geregelte Ratenzahlung gibt, kann eine solche bei begründeter Bedürftigkeit als Billigkeitsmaßnahme beantragt werden.

Was passiert, wenn man nicht zahlt oder nicht daran denkt? Laufen Unternehmer Gefahr, sich mit Subventionsbetrug strafbar zu machen?

Buschmann: Sofern der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung davon ausgehen durfte, dass er in den für die Zuwendung geforderten Liquiditätsengpass kommen würde, sind aus meiner Sicht keine Anhaltspunkte für einen Subventionsbetrug gegeben. Die Auszahlung-Modalitäten sehen auch nicht vor, dass der Empfänger der Soforthilfe seine Zuwendung im Nachhinein selbst auf Berechtigung überprüfen muss.

Somit ergibt sich nach meiner Einschätzung auch keine Verpflichtung, zu einer vorauseilenden „freiwilligen“ Rückzahlung. Selbstverständlich sind für den Fall, dass ein zwischen Bund und den Ländern geregeltes Rückmeldeverfahren zustande kommt, die dann geforderten Angaben wahrheitsgemäß zu machen.

06.11.2020    Johanna Steinschulte
  • Drucken
Zur Startseite