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20.09.2020    Madeline Sieland
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Der Schock im Frühjahr saß tief, aber die Erholung kam viel schneller als erwartet. Der Corona-Crash war der schnellste Börsenzusammenbruch in der Geschichte des deutschen Leitindex: 28 Tage ging es abwärts. Zum Vergleich: In der Finanzkrise 2008 dauerte es 207 Tage, bis der Dax den Tiefpunkt erreicht hatte. Doch wie geht es weiter?

Mit einem brutalen Absturz oder einem grandiosen Frühling? Beides ist möglich, wenn man zwei Aktienauguren Glauben schenkt. „Mister Dax“ Dirk Müller sagt ein schwieriges Jahresende für Wirtschaft und Finanzmärkte voraus. Die Wahrscheinlichkeit eines weiteren, noch größeren Crashs gibt der Börsenmakler mit 70 Prozent an.

Anders Investmentlegende Jens Ehrhardt: Der erfolgreiche Vermögensverwalter sieht den Dax bis zum Frühjahr 2021 in kaum vorstellbare Höhen steigen, spricht von mehr als 16.000 Punkten. Das wäre quasi eine Verdopplung des Werts innerhalb eines Jahres. Mitte März hatte der Dax mit 8.441 Punkten seinen jüngsten Tiefpunkt erreicht.

Wem soll man nun glauben – dem Optimisten oder dem Pessimisten? Rein oder raus? Ist der richtige Zeitpunkt zum Anlegen schon wieder passé, sind die Kurse abgefahren? Was gilt es bei der Geldanlage zu beachten? Gibt es so etwas wie die richtige Strategie? 

Sicher ist: Nach Crashs stiegen Indizes wie Dax, Dow Jones und Euro Stoxx immer und erreichten neue Höchstmarken. Aber Vorsicht: Die Regel von Altmeister André Kostolany – „Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten, und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich“ – gilt nicht mehr. Die Börsenstars wechselten. So sind Deutsche Bank und Telekom weit weg von den Allzeit-Höchstwerten. Hingegen glänzen Unternehmen wie Amazon, Apple oder Microsoft.

Vier Gründe für die Erholung nach Corona

Für die vergleichsweise schnelle erste Erholung nach dem Corona-Crash sieht Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank, vor allem vier Gründe:

  • Globales Business federt lokale Einbrüche ab: Der Dax hat wenig Korrelation mit der hiesigen Wirtschaft. Das heißt: Als etwa die Umsätze von Volkswagen in China wieder stiegen, wirkte sich das auch auf den Aktienkurs der Wolfsburger aus.
  • Geldschwemme durch Anti-Corona-Maßnahmen: Aufgrund der gigantischen fiskalpolitischen Multimilliarden-Maßnahmen war schnell viel Geld im Umlauf. Für Stephan war das ein Haupttreiber der Börsenrallye. Die Angst, dass große Player mit eigentlich funktionierenden Geschäftsmodellen wie die Lufthansa pleitegehen, verflüchtigte sich.
  • Schub für Unternehmen, die von der Digitalisierung profitieren: Vor allem Tech-Firmen zählen zu den Gewinnern der Krise – und das spiegelt sich eben auch in deren Kursen wider. Aktien etwa von SAP wurden auch deshalb gekauft, weil sie zu Unrecht in den Verkaufsstrudel hineingezogen wurden und damit einfach billig waren.
  • Keine Alternativen: Nach dem ersten Corona-Schock dachten Investoren schnell wieder langfristig. Wie lässt sich mit Geld mehr Geld verdienen? Angesichts der gigantischen neuen staatlichen Schuldenberge erwartet niemand, dass auf Sicht erneut Zinsen für klassische Sparanlagen wie Anleihen bezahlt werden

Streuung ist essenziell 

Krise hin, Krise her: Beim Investment geht es darum, Vermögen möglichst vor Verlusten zu schützen und Chancen zu nutzen. „Grundsätzlich empfehlen wir eine breite Streuung, um das Einzelrisiko zu minimieren“, sagt Bernd Schimmer, Chef-Investmentstratege der Hamburger Sparkasse. Die Wissenschaft spricht von Diversifikation. Und dieses Prinzip ist so etwas wie das Fundament einer erfolgreichen Geldanlage.

Wer das nicht glaubt, muss nur mit einem Wirecard-Anleger wie Malte Meyer sprechen. Der 30-jährige Radiologe aus Bochum hatte rund 50.000 Euro in das Dax-Unternehmen gesteckt, das lange als Shootingstar der deutschen Wirtschaft gehandelt wurde.

Im Juni war Wirecard plötzlich pleite, in der Bilanz fehlten angeblich rund 1,9 Milliarden Euro. Die Rede ist von Betrug und Manipulation. Für Meyer ein De­saster: Seine Kohle ist futsch. Für ihn stellt sich jetzt die Frage, ob er mit anderen Anlegern klagt, um einen Teil des Geldes zurückzubekommen. Die Aussichten, vor Gericht Schadenersatz zu erstreiten, sind mau. 

Wie hätte Meyer den Totalverlust also vermeiden können? Besser wäre es gewesen, statt auf eine Einzel­aktie etwa auf den ganzen Dax mit allen 30 Werten von Adidas über Deutsche Telekom bis hin zu VW zu setzen. Das geht bequem mit Investmentfonds oder ETFs – auch mit kleinen Beträgen.

Denn dass alle ­Dax-Konzerne auf einmal pleitegehen, ist unwahrscheinlich. So hat der Index kaum reagiert, als Wirecard den Bach run­ter­ging – weil das bankrotte Unternehmen im Vergleich zu Größen wie etwa ­Bayer oder SAP eher klein war. Als Indexinvestor hätte Meyer die Wirecard-Pleite in seinem Depot kaum bemerkt.

Die großen Gewinner der Krise

Nicht alle Eier in einen Korb: Das ist eine goldene Anlegerregel. Geld sollte breit investiert werden, um Risiken zu reduzieren. Es kommt darauf an, unterschiedliche Anlageklassen wie Aktien, Anleihen, Immobilien und bisweilen auch Edelmetalle mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen so miteinander zu kombinieren, dass sie sich ergänzen. Beliebt ist die Mischung aus Immobilien, die regelmäßig Mieten einbringen, und ausgewählten ETFs.

Eine eindeutige Übergewichtung von Aktien ­empfiehlt der Chef einer großen Sparkasse. Er glaubt, dass die Politik nach der nächsten Bundestagswahl Immobilienbesitzer mit einer deftigen Vermögens­abgabe besteuern wird, um die gigantischen Corona-Schuldenberge zu reduzieren. Sein Fazit: „Die Zeit der Aktien kommt erst noch!“

Experten raten, auf Megatrends zu setzen, etwa Nachhaltigkeit, Gesundheit oder Digitalisierung. Die Logik dahinter: Unternehmen, die in Zukunftsbranchen agieren, können schneller ­wachsen und mehr Geld verdienen. Beispiel: BioTech.

Aktuell forschen Unternehmen wie Moderna Therapeutics an einem Covid-19-Impfstoff. Das US-Start-up, das noch nie ein Medikament auf den Markt gebracht hat, wird mit rund 30 Milliarden Dollar bewertet. Sollte Moderna im weltweiten Impfstoff-Wettrennen erfolgreich sein, dürfte der Kurs weiter explodieren. Macht ein Wettbewerber das Rennen, kommt es zum Einbruch.

Viele Börsianer hoffen, dass die Corona-Impf­stoffentwicklung eine Blaupause dafür ist, dass Forscher mit Willen und technologischem Fortschritt immer mehr, immer bessere Medikamente in kürzester Zeit ent­wickeln können. Wer an diese Zukunftswette glaubt, sollte das Angebot an BioTech-ETFs studieren. Davon gibt es reichlich – für jeden Risikotypen. So kann jeder etwas Gutes tun und sich bei der Medikamentenforschung engagieren. Im Gegenzug besteht die Chance, finanziell gestärkt aus der Krise zu kommen.

So geht Geldanlage: Tipps zum Vermögensaufbau

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20.09.2020    Madeline Sieland
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