DUB Gratis-Call mit Christian Lindner
10.06.2020    Miriam Rönnau
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und den Moderatoren Jens de Buhr, Verleger des DUB UNTERNEHMER-Magazins sowie Michael Oelmann, Herausgeber von „Die Deutsche Wirtschaft“, über das Konjunkturpaket, eine zu kurzgedachte politische Marschrichtung und das Ausbleiben einer Digitalisierungsoffensive.

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Das von der großen Koalition konzipierte Konjunkturpaket bringt zahlreiche steuerliche Änderungen. Wird Deutschland damit die erhoffte V-artige Konjunkturerholung erreichen?

„Ein V-artiger Konjunkturverlauf bedeutet eine schnelle Erholung. Doch dafür muss politisch etwas getan werden. Die jetzt getroffenen Entscheidungen über das Konjunkturpaket überzeugen mich nicht restlos“, sagt Christian Lindner. Der Bundesvorsitzende der FDP zielt damit unter anderem auf die befristete Senkung der Mehrwertsteuer. Die dafür benötigen 20 Milliarden Euro hätte die große Koalition seiner Meinung nach besser in die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für alle investieren sollen.

Positiv sei zwar die im Konjunkturpaket inbegriffene Verbesserung der Abschreibungsbedingungen, doch auch da zeigt sich Lindner kritisch: „Ich kann mir noch großzügigere und schnellere Abschreibungen vorstellen“. Die Bundesregierung hat im Konjunkturpaket beschlossen, die degressive Abschreibung einzuführen. Es können maximal 25 Prozent des (Rest-)Buchwertes pro Jahr abgeschrieben werden. Doch die Regelung gilt nur für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in den Steuerjahren 2020 und 2021. Investitionen in die Digitalisierung würden damit nicht gefördert. Für Start-ups müsse es bessere steuerliche Regelungen geben, die etwa die Bezahlung von Mitarbeitern in Form von Unternehmensbeteiligungen ermögliche.

Lindner: „Insgesamt ist für mich in dem Konjunkturpaket zu viel Umverteilung drin und zu wenig Angebote, um Deutschland als Standort und für Investitionen attraktiver zu machen. Das gilt insbesondere für die Digitalisierung. Warum gibt es keine staatliche Digitalisierungsoffensive?“. Besser wäre es, wenn sich die Politik nicht auf „gut gemeinte Verteilungsaspekte“ konzentriere, sondern auf Maßnahmen, die „einen breiteren Wachstumspfad für die Zukunft eröffnen“. Nur mit einem steigenden Bruttoinlandsprodukt könne Deutschland die neuen Schulden schnell wieder abbauen.

Ein weiterer Kritikpunkt Lindners: Der Staat will Familien einen Kinderbonus von 300 Euro zahlen – unabhängig von deren Bedürftigkeit. „Das Programm hat keine zusätzlichen Wachstumseffekte und da es nicht an die Bedürftigkeit gebunden ist, sehe ich darin auch keinen Zugewinn an sozialer Gerechtigkeit“, so Lindner.

Insgesamt hält der FDP-Politiker fest: „Ich sehe trotz der milliardenschweren Hilfsgelder der Regierung kein inflationsszenario. Allerdings könnte es zu einer Asset-Preis-Inflation kommen. Dann werden sich Aktionäre über steigende Kurse, Immobilieneigentümer über steigende Preise freuen. Diese Personengruppen werden reicher, andere nicht.“

Was bedeutet die weltweite Pandemie für die exportstarke deutsche Wirtschaft?

„Die Corona-Krise ist nicht eine, sondern bedeutet drei Krisen“, sagt Unternehmensberater Walter Kohl. Die erste sei die medizinische, die zweite die Unternehmenskrise und die dritte eine Exportkrise. „Wir müssen uns nicht fragen, wie wir Deutschland nach vorne bringen, sondern wie wir Deutschland im europäischen Kontext und im Export auf die Reihe kriegen“, sagt Kohl.

Zu den zehn größten Exportmärkten gehören mehrere Länder, die von der Corona-Krise stark betroffen seien, etwa Frankreich, Großbritannien und Italien. „Im Herbst werden wir in Italien keinen BMW verkaufen“, warnt der Unternehmensberater. Hier müsse sich die Politik heute schon die Frage stellen, was zu tun ist, wenn etwa Italien Ende des Jahres zahlungsunfähig werde. Die dritte Krise könne in einer Banken- und Währungskrise münden. „Ich denke, diesbezüglich wird einfach zu kurz gedacht.“

Zudem warnt Lindner vor Vorschlägen aus der SPD, von Grünen und aus der Partei Die Linke: „Manche fordern eine Vermögensabgabe, also nicht eine Vermögenssteuer, sondern sie wollen in das Vermögen von Bundesbürgern eingreifen,“ so der FDP-Politiker. Dann würde es schnell zu verteilungspolitischen Diskussionen kommen.

Die meisten „Corona-Gewinner“ an der Börse kommen aus den USA und China. Woran hapert es in Deutschland?

Lindner sieht die weiter schleppende Digitalisierung als Stolperstein für die deutsche Wirtschaft. Drei Aspekte:

1. Es gilt, die Macht von Google, Amazon und Apple zu brechen. Insbesondere Google dürfe nicht die Regeln des Spiels definieren und die Vertragsbedingungen diktieren – was bisher der Fall sei.

2. Es gibt deutsche Produkte, die deutlich zeigten: wir haben noch nicht verloren, etwa im Bereich industrielle Fertigungsindustrie. Deutschland habe eine starke mittelständische IT-Landschaft, die auch von besser gestalteten Abschreibungsregelungen und mehr Investitionsprojekten profitieren könnte, doch …

3. … hierzulande gebe es ein Gründungsproblem und eine daraus resultierende geringe Wachstumsdynamik in diesem Bereich. Notwendig seien weniger Angst vor dem Scheitern und mehr engagierte, finanzstarke Investoren.

Da stimmt Frank Thelen zu: „Ich spreche mit vielen kapitalstarken Menschen in Europa. Was ich beobachte: Der Investitionswille ist nicht unendlich“, sagt der Seriengründer und Tech-Investor. In Deutschland herrsche weder die Mentalität noch die Kultur, um mal eben „50 Millionen Euro in den Sand zu setzen“. Doch genau diese Gründungsentschlossenheit brauche es, um Innovationen und neue Geschäftsmodelle voranzutreiben.

Das gelte insbesondere für Familienunternehmen, die einen wesentlichen Teil des Mittelstandes ausmachen. Und obwohl diese häufig bereits verstanden haben, dass es an der Zeit ist, die Transformation einzuleiten, fehlt es an Know-how, Mut und einer entsprechenden Fehlerkultur. „Das Problem, dass diese Unternehmen haben, ist ihr Erfolg in den vergangenen 30 Jahren“, sagt Professor Dr. Arnold Weissman, Gründer der Unternehmensberatung Weissman & Cie. „Das Vermögen und das Kapital, dass mit den Jahren aufgebaut wurde, muss in mutige Investitionen gesteckt werden. Eine steuerliche Förderung, die das unterstützt, wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

10.06.2020    Miriam Rönnau
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