Grafik Liquidität Automobilindustrie
15.04.2020    Andreas Busch
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Zur Person

Professor Dr. Stefan Bratzel

ist der Gründer des Center of Automotive Management (CAM). Seit 2004 treibt er mit dem CAM die Automobil- und Mobilitätsforschung in Kooperation mit der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) Bergisch-Gladbach voran.

Mit welchen Problemen hat die Autobranche in der Krise besonders zu kämpfen?

Professor Dr. Stefan Bratzel: Der globale Automobilmarkt wird im Jahr 2020 nach dem Basisszenario des CAM um 17 Prozent einbrechen. Es geht bei den Unternehmen jetzt vor allem darum, über genügend Mittel zu verfügen, um nicht in die Insolvenz zu rutschen. Noch sechs bis acht Wochen dürften die Player im Shutdown durchhalten, danach würde es schwierig. Hersteller, Zulieferer und der Handel befinden sich in einer Phase der Gefahrenabwehr.

Und was kommt dann?

Bratzel: Danach lautet die zentrale Frage, wie man die Nachfrage wieder anschiebt. Und das in einer Zeit ökonomischer Unsicherheit und einem voraussichtlichen Trend zu höherer Arbeitslosigkeit. Teure Güter sind dann wahrscheinlich nicht die präferierten Produkte. Ein kleineres Problem ist es, die Lieferketten wieder in Gang zu bringen – vom Zulieferer bis zum Subzulieferer. Und es stellt sich die Frage, ob dann noch alle Händler am Netz sind. Wichtiger ist es aber, die Nachfrage in Gang zu bringen.

Etwa durch den Verzicht des Fiskus auf die Mehrwertsteuer beim Autokauf?

Bratzel: Es gibt mehrere Alternativen. Nach der Finanzkrise lief die Abwrackprämie in Höhe von 5000 Euro gut. Das ist eine Größenordnung, die etwas bringen könnte. Ich bin eher für solche direkten Kaufzuschüsse. Sie sollten auf die schon existierende Umweltprämie für Elektroautos aufsetzen und nur einen geringeren Teil für die Förderung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor verwenden.

Wie können die Autobauer die Produktion wieder hochfahren – bei all den zu erwartenden Abstandsvorschriften für Mitarbeiter?

Bratzel: Wieder auf 100 Prozent zu kommen, wird nicht von heute auf morgen gelingen. Das wird ein Prozess von Wochen, oder gegebenenfalls sogar Monaten. Die Arbeitsbedingungen sind so zu ändern, dass Ansteckungen vermieden werden, die zu neuen Shutdowns führen könnten. Denn auch wenn die Mitarbeiter lange Zeit zu Hause verbringen, kann dies gesundheitliche Folgen haben.

Im Shutdown machten viele Unternehmen gute Erfahrungen in Sachen Homeoffice und Videokonferenzen. Kann dies Auswirkungen auf den Firmenwagenmarkt haben, weil viele auswärtige Geschäftstermine deshalb künftig entfallen?

Bratzel: Zunächst dürfte sich die wirtschaftliche Situation auf den gewerblichen Markt auswirken. Gibt es weniger Aufträge, braucht es auch weniger Mitarbeiter und Geschäftstermine. Dann helfen womöglich flexiblere Leasingverträge mit kürzeren Laufzeiten oder Auto-Abo-Modelle, etwa mit dreimonatiger Kündigungsfrist. Der zweite Faktor ist, dass in der Krise gelernt wurde, dass weniger Face-to-Face-Termine notwendig sind. Das kann sich längerfristig auf die Reisetätigkeit auswirken.

Wird die Krise die Fahrpläne für neue Elektro-Modelle bremsen? Die deutschen Hersteller hinken ohnehin schon der Konkurrenz hinterher ...

Bratzel: Wenn viel Geld verbrannt wird, liegt es nahe alles zu stoppen, was nicht zu 100 Prozent notwendig ist. Natürlich ist die Gefahr groß, dass sich die Hersteller zunächst auf das konzentrieren, was sie kennen. Also Verbrennungsmotoren zu bauen und zu verkaufen. Das wäre aber aus meiner Sicht nicht die nachhaltigere Variante. Nach der Phase der Gefahrenabwehr ist es meiner Meinung nach richtig, sich auf Zukunftsprojekte zu fokussieren.

15.04.2020    Andreas Busch
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