Der Rennwagen kann mit der Technologie von Schaeffler-Paravan autonom Fahren
16.10.2020    Manuel Kunst
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Auf den ersten Blick scheint alles wie immer, als DTM-Rekordmeister Bernd Schneider im Juli im Rennwagen über den Hockenheimring rast. Der zweite Blick jedoch offenbart: Der Wagen hat keine Lenksäule. Denn Er fährt mithilfe einer revolutionären Autosteuerung. Einer Technologie, die es auch Menschen mit körperlichen Behinderungen ermöglicht, Auto zu fahren. Und eines Tages vielleicht einer Künstlichen Intelligenz.

„Space Drive“ heißt die Innovation von Schaeffler Paravan. Sie basiert auf „drive by wire“, was so viel bedeutet wie „steuern per Kabel“. Dabei werden elektrische Impulse von einer Bedieneinheit, etwa einem Lenkrad oder Joystick, über einen internen Prozessor an die Räder weitergegeben; Dabei wirken hydraulische und mechanische Systeme plötzlich überholt. CEO Roland Arnold über Nutzen und Vision.

 

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Zur Person

Roland Arnold Schaeffler-Paravan

Roland Arnold

ist Gründer und Geschäftsführer der Paravan GmbH und CEO von Schaeffler Paravan. Bereits 1997 begann Arnold, Personenkraftwagen behindertengerecht umzubauen

Was ist Ihre Vision?

Roland Arnold: Ich hatte ein Erlebnis, das mir gezeigt hat, wie schwer es für Menschen mit bestimmten Behinderungen ist, mit einem Auto mobil zu sein. Daraus entstand meine Vision, eine Lösung zu schaffen, die kein Lenkrad mehr braucht. Die Idee, ein Auto via Kabel zu steuern, stammt aus 2002 und hatte damals revolutionären Charakter. Heute haben wir eine Technologie, die durch die Straßenzulassung weltweit einzigartig ist, und sind Weltmarktführer. Mit dem Blick auf autonomes Fahren und ein völlig neues Design des Fahrzeuginneren brauchen wir diese Technologie. Daher ist unsere nächste Challenge, auch Elon Musk davon zu überzeugen.

Wie ist die Idee für die Drive-by-wire-Technologie entstanden?

Arnold: Als ich im Jahr 1997 auf einer Dienstreise kurz an einer Raststätte gehalten habe, beobachtete ich eine Frau, die ihrem rollstuhlfahrenden Mann ins Auto half. Es regnete in Strömen. Der Rollstuhl ist unglücklicherweise weggerutscht und der Mann auf den Boden gefallen. Ich bin ausgestiegen, um den beiden zu helfen. Danach habe ich mich noch kurz mit der Frau unterhalten, die mir gesagt hat, sie wünsche sich so sehr, dass ihr Mann irgendwann wieder selbst Auto fahren könnte.

Ich fragte sie daraufhin, wie ihr Mann den seinen Rollstuhl steuert. Sie sagte: „Mit einem Joystick.“ Das war dann die zündende Idee, denn ich dachte mir: Wenn jemand einen Rollstuhl mit einem Joystick bedienen kann, dann wird es doch irgendwie möglich sein, auch ein Auto mit einem Joystick zu fahren.

Was macht Ihre Technologie aus?

Arnold: Durch den engen Kontakt zu vielen Autobauern haben wir tiefe Einblicke in die Technologie hinter alternativen Lenkungen erhalten. Das Problem ist jedoch, dass alle bisherigen elektrischen Steuerungseinheiten von einigen wenigen Kabeln abhängig waren. Wenn nur eine Sicherung durchbrennt, funktioniert die Steuerung nicht mehr. Unsere Space-Drive-Technologie hat drei Möglichkeiten, Informationen zu übermitteln. Selbst wenn ein System ausfallen sollte, hat die Steuerungseinheit noch zwei weitere Übertragungswege, die den Informationsfluss gewährleisten. Damit erfüllen wir die höchsten Sicherheitsstandards. Mittlerweile fahren durch unser System etwa 8.500 Menschen mit Schwerstbehinderung wieder Auto.

Bereits seit 2005 haben Sie eine Straßenzulassung für das System. Schlussendlich haben sie damit eine technische Grundlage für autonomes Fahren geschaffen.

Arnold: Ja, Menschen aus der Industrie kamen zu uns und haben gesagt: „Herr Arnold, sie haben hier eine einmalige Technologie, die es sonst nirgendwo anders gibt.“ Das spornt uns natürlich an. Wir haben zwar die Technologie aus einem anderen Beweggrund entwickelt, aber es ist möglich, dass ein Fahrzeug über unser System auch von einer Künstlichen Intelligenz gesteuert werden kann.

Nach welchen Prinzipien führen Sie Ihr Team?

Arnold: Es ist mir sehr wichtig, dass Mitarbeiter selbstständig Entscheidungen treffen, wenn es darum geht, ein Problem zu lösen. Ich bevorzuge eine schlanke Kommunikation. Denn die Mitarbeiter stehen auch im direkten Kontakt mit den Kunden. Ich sage meiner Belegschaft: Macht! Ich versuche, Mitarbeiter damit ein Stück weit selbst zu Unternehmern zu machen. Sprich: Fälle deine Entscheidungen, mache deine eigenen Fehler, feiere deine eigenen Erfolge, und lerne aus den Erfahrungen.

Wichtig ist: Das größte Gut, das wir haben, sind unsere Mitarbeiter. Ihnen müssen wir mit Respekt begegnen. Das Gleiche gilt übrigens auch für unsere Lieferanten. Ich halte gar nichts davon, externe Dienstleister bis aufs Letzte auszuquetschen. Wir geben lieber einen Euro mehr aus und fördern damit wiederum deren Entwicklung.

Braucht es eine Vision, um Mitarbeiter von seinem unternehmerischen Vorhaben zu überzeugen?

Arnold: Eine neue Technologie kann nur mit zufriedenen Mitarbeitern entwickelt werden. Man muss seiner Belegschaft immer das Gefühl geben, dass ihre Arbeit einen hohen Wert für das Unternehmen hat. Gleichzeitig braucht es aber auch eine klare Zielsetzung, eine Vision, die zielstrebig verfolgt wird. Uns treibt es natürlich an, dass wir Menschen mit Behinderungen helfen können. Und weil wir eng mit den Betroffenen zusammenarbeiten, bekommen wir auch viel Wertschätzung für unsere Arbeit zurück.

16.10.2020    Manuel Kunst
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