Impressionen der IAA Messe
02.01.2020    Michael Specht
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Messen melden gern Rekorde, egal ob es dabei um Besucherzahlen, Ausstellungsflächen oder die Zahl der Aussteller geht. Keine Ausnahme bildet da die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main. Doch dieses Mal sind zwei Rekorde anderen Ursprungs. Nummer eins: Nie zuvor in der Geschichte sagten bereits im Vorfeld mehr Autobauer ab. Die Branche befindet sich im Wandel und steht unter anderem vor der Frage: Ist in der digitalisierten Welt ein konventioneller und mehrere Millionen Euro teurer Messeauftritt noch zeitgemäß?

Nummer zwei: Trotz des Fernbleibens vieler Hersteller debütierten auf der IAA mehr Elektroautos als je zuvor. Ganz freiwillig jedoch geschieht dies nicht. Die Autobauer stehen unter einem enormen Druck. Er kommt aus Brüssel. Denn die EU-Kommission verlangt ab 2020 für die in Europa neu zugelassenen Autos einen durchschnittlichen CO2-Flottenausstoß von 95 g/km. Wer diesen Wert nicht schafft, zahlt empfindliche Geldstrafen. Sie können mehrere Hundert Millionen, je nach Absatzvolumen bisweilen auch über eine Milliarde Euro betragen. Elektroautos sind ein effektiver Weg, die CO2-Werte zu reduzieren. Im nächsten Jahr gehen die Stromer in die Bilanz noch mit dem Faktor zwei ein. Heißt: Ein E-Fahrzeug – Emission: 0 Gramm CO2 
pro Kilometer – gleicht zwei große SUV mit je 190 g/km aus. Aber: Es gilt nicht, was schick poliert im Schaufenster steht. Es zählt nur die Zahl der Neuzulassungen. Die Stromer müssen also gekauft werden.

E-Antrieb als neue Leitkultur

Daran aber scheitert es oft. Elektroautos sind in der Kleinwagen- und Kompaktwagenklasse oft mehr als doppelt so teuer wie ihre konventionellen Pendants mit Verbrennungsmotor. Es wundert also nicht, dass in Deutschland nicht einmal zwei Prozent aller zugelassen Neuwagen einen elektrischen Antrieb haben. -Außerdem scheuen viele Kunden den Wechsel, weil sie zu Hause nicht laden können oder die Infrastruktur an Stromsäulen noch zu dünn ist oder weil sie Angst haben, die Kapazität der Batterie könnte für das -Fahrprofil im Alltag nicht ausreichen. Im ganz großen Stil geht nun Volkswagen die Sache an, rührte die Werbetrommel auf der IAA am lautesten. Die Wolfsburger wollen den sauberen E-Antrieb zu ihrer neuen Leitkultur machen, haben dafür mehrere Milliarden Euro in die Hand genommen und einen speziellen E-Antriebs-Baukasten entworfen, den MEB. Auf ihm sollen später viele Modelle im Konzern in hohen Stückzahlen vom Band laufen. Erster Vertreter ist der ID.3, der in Frankfurt seine Weltpremiere feiert und für Volkswagen nach eigenen Aussagen den gleichen Stellen
wert hat wie einst Käfer und Golf. Mit Letzterem teilt sich der ID.3 die Größe, bietet im Innenraum jedoch den Platz eines Passat. VWs neuen Stromer gibt es mit drei unterschiedlichen Batteriegrößen. Mit der kleinsten soll er weniger als 30.000 Euro kosten und immerhin 320 Kilometer fahren. Der größte Akku schafft 550 Kilometer. Mehr als 30.000 ID.3-Bestellungen liegen bereits vor. Und dies, obwohl kein Käufer den Wagen zuvor real gesehen oder in ihm gesessen hat. Ein riesiger Vertrauensvorschuss gegenüber der Marke VW und ebenso der Beweis, dass Elektromobilität an Fahrt gewinnt.

Teslas härtester Konkurrent

Das Elektroauto VW ID.3 soll Image und CO2-Bilanz des Konzern aufpolieren.

VW ID.3: Das E-Modell feierte in Frankfurt seine Weltpremiere

Etwa die gleiche Zahl an Order-Eingängen verbucht Porsche für den Taycan, zweifellos ein weiterer Star auf der Messe. Im Unterschied zum ID.3 fährt der Taycan im Oberklassesegment und gilt als härtester Konkurrent von Tesla. 761 PS katapultieren den ersten elektrischen Porsche in nur 2,8 Sekunden von null 
auf Tempo 100. Über 450 Kilometer soll seine Reichweite betragen. Und mittels der bislang einzigartigen 800-Volt-Technik können in nur vier Minuten 100 -Kilometer Reichweite nachgeladen werden. Preislich startet der Taycan bei 153.136 Euro; günstigere Versionen sollen später folgen.

Auf etwa gleichem Preisniveau dürfte sich der Mercedes EQS bewegen. Die große Limousine ist zwar noch eine Studie, sie gibt aber einen deutlichen Hinweis darauf, was man sich unter emissionsfreiem und gleichzeitig modernem Luxus in Zukunft vorzustellen hat. Neue Wege gehen die Stuttgarter im Innenraum. In den Textilien stecken Mikrofasern aus alten PET-Flaschen und wiederaufbereiteten Plastikabfällen aus dem Meer. Öko, wo immer es geht. 700 Kilometer Reichweite soll die Serienversion (2021) ermöglichen und mit einer Leistung von bis 350 kW laden können. Die Batterie wäre dann in unter 20 Minuten zu 80 Prozent gefüllt. Den Durchbruch in der E-Mobilität aber sollen die für den Normalbürger erschwinglichen Stromer bringen. Volkswagen hat parallel zur Entwicklung des ID.3 seinem kleinen up! ein umfangreiches Update spendiert. Dessen Reichweite stieg auf 260 Kilometer, der Preis sank um mehrere Tausend Euro auf 21.975 Euro. Die gleiche Technik sitzt im Seat Mii electric und Skoda Citigo e iV. Beide sind nochmals über 1.000 Euro günstiger.

Da dürfte der Kunde beim kleinen Honda e ungläubig mit dem Kopf schütteln. Weniger Reichweite, aber knapp 34.000 Euro teuer. Oder liegt es vielleicht daran, dass sich die Japaner das tolle Armaturenbrett – das Display reicht fast über die gesamte Fahrzeugbreite – extra vergüten lassen? Konventioneller geht Opel die E-Mobilität beim Corsa-e an, bietet aber insgesamt eine attraktive Kombination aus Design, Platz, Reichweite und Preis. Er beginnt bei 29.900 Euro.

BMW: E-Premieren erst Ende 2020

Eher Ver- als Bewunderung macht sich am Stand von BMW breit. Seit Jahren wartet die Branche auf ein weiteres i-Modell. Aber außer einigen merkwürdig gestylten Studien, deren Serienversionen erst Ende 2021 auf die Straße kommen sollen, haben die Münchner Autobauer wenig wirklich Neues im Köcher. Nur zwei Zwischenlösungen: Der Mini Cooper wurde mit der Technik des i3 auf E-Antrieb umgerüstet – Marktstart Anfang 2020 –, und Ende nächsten Jahres wird es einen elektrischen X3 geben. Erst danach beginnt mit der Limousine i4 und dem Crossover i5 in München eine neue Zeitrechnung.

02.01.2020    Michael Specht
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