Zukunft der Automobilbranche
13.05.2020    Miriam Rönnau
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Homeoffice, Social Distancing, Lockdown – die Coronakrise steht für weitgehenden Stillstand. Wie ist es derzeit um die Autobauer bestellt?

Es gelte, zwei Dimensionen zu unterscheiden, sagt Alain Uyttenhoven, Präsident von Toyota Deutschland. „Die Schließung der Autohäuser spiegelt sich natürlich in den Zahlen wider. Im April betrug das Volumen des deutschen Marktes 61 Prozent des Vorjahresmonats“, sagt Uyttenhoven.

Seit etwa zwei Wochen haben die Autohäuser zwar wieder geöffnet, doch ein Besuch steht bei vielen Menschen zurzeit nicht weit oben auf der Agenda. „Wir verkaufen aktuell etwa 40 bis 50 Prozent weniger Fahrzeuge als in einem ‚normalen’ Monat“, so Uyttenhoven. Meist handele es sich dabei zudem um Verkaufsgespräche, welche die Kunden schon vor der Krise mit ihren Händlern begonnen haben und die jetzt fortgesetzt werden.

Ganz anders sieht es in den Kfz-Werkstätten des Herstellers aus, im Bereich Service und Wartung. „Diese hatten auch in den vergangenen Wochen geöffnet – und unsere Händler konnten damit im Vergleich zu Nicht-Krisenzeiten immerhin 70 Prozent ihres Umsatzes erzielen.“

Fürchtet die Branche einen Bewusstseinswandel der Gesellschaft, die gerade lernt: Es geht auch ohne Auto?

Auch hier müssten laut Uyttenhoven zwei Aspekte beachtet werden: „Zum einen haben Menschen entdeckt, dass das persönliche Treffen nicht die einzige Option ist und auch via Videokonferenz Meetings stattfinden können.“ Doch zum anderen mieden viele in der Pandemie die öffentlichen Verkehrsmittel und fühlten sich im Auto sicherer. „Das Auto ist in diesen Zeiten für diese Menschen wie ein Kokon“, erklärt der Toyota-Präsident.

Die Erfahrung aus China zeige: Der Automobilmarkt ging um 80 Prozent zurück und steigt jetzt wieder. Laut Prognosen wird der Wiederaufbau eine relativ schmale U-Kurve verzeichnen. „Das heißt, wir werden ein bis zwei Jahre brauchen, bis wir wieder das Volumen von 2019 erreicht haben“, so Uyttenhoven.

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Vor der Krise beschäftigte die Automobilbranche bereits die grüne Wende, jetzt kommen sinkende Absatzzahlen und eine Rezession hinzu. Wie meistern die Hersteller zwei Herausforderungen auf einmal?

„In keinem Land liegt der Anteil der Automobilindustrie am Bruttosozialprodukt so hoch wie in Deutschland. Wir sind das Auto-Land“, sagt Uyttenhoven. Nun müsse sich die Branche eine entscheidende Frage stellen: Soll es zurück zu alten Wegen und Strukturen gehen oder ist die Krise ein weiterer Anlass für Veränderung?

Schon vor Corona stand der japanische Autobauer vor allem für die alternativen Antriebsformen Hybrid und Wasserstoff – und positionierte sich klar dagegen, den Elektroantrieb als die einzige Lösung für den Wandel hin zur grünen, emissionsfreien Mobilität zu verstehen. Denn: Nicht jede Antriebsform ist für jeden Bedarf geeignet. „E-Autos eignen sich für kurze Strecke mit wenig Lasten, die Brennstoffzelle hingegen ist für längere Strecken mit mehr Gewicht an Bord die geeignete Alternative“, so Uyttenhoven. „Doch insgesamt glaube ich, müssen wir Autos, die grüner sind als Diesel und Benziner, deutlich mehr unterstützen.“ Die Zahlen sprechen für sich: Allein in Europa haben sich bereits 2,8 Millionen Kunden für Toyota-Hybridmodelle entschieden. Weltweit sind es sogar 15 Millionen Fahrzeuge, die im Vergleich zu konventionell angetriebenen Modellen mit Benzinmotor inzwischen mehr als 120 Millionen Tonnen CO2 eingespart haben.

Was Toyota in der Krise zugutekommt: die regionale Produktion. „Vor vielen Jahren haben wir uns dazu entschieden, Autos dort zu bauen, wo sie verkauft werden“, betont Uyttenhoven. Von 100 abgesetzten Autos in Europa werden etwa 75 auch in einem europäischen Land produziert. Das heißt auch: Viele europäische Mittelständler leben davon, dass sie dem Autobauer zuliefern. In einer Zeit, in der Grenzen geschlossen sind und es zu Verzögerungen in den Lieferketten kommt, ist das ein klarer Vorteil.

Seit einigen Jahren wollen Technologie-Unternehmen in der Automobilindustrie mitspielen und entwickeln „rollende Smartphones“. Hat die Krise den Wettbewerb verschärft?

„Wir erinnern uns: Apple hat vor einigen Jahren Mitarbeiter der Automobilindustrie abgeworben und versucht, Autos zu bauen – und festgestellt: So einfach ist es nicht“, sagt Uyttenhoven. Doch einen Vorteil haben diese neuen Wettbewerber: Sie pflegen die Kontakte mit den Kunden, während die Autobauer sich eher als Zulieferer verstehen. Das gelte es laut Uyttenhoven künftig zu vermeiden.

Und die Sparte hat einen Joker im Blatt: Sie verfügt über anonyme Daten, aus denen sie Schlussfolgerungen ziehen kann. „Ich glaube, in diesem Wettstreit werden wir uns noch ein paar Jahre befinden.“

Welche Learnings lassen sich aus der aktuellen Situation mitnehmen?

In der Krise gilt, so Felix Staeritz, Co-Founder und CEO von FoundersLane, sich nicht nur auf den Jetzt-Zustand zu konzentrieren, sondern auch in die Zukunft zu schauen. Sprich: schon heute analysieren, was bald das „next normal“ sein dürfte. Und er muss es wissen: Mit FoundersLane entwickelt und skaliert Staeritz neue Geschäftsmodelle mit und für globale Konzerne, davon 30 der 500 Forbes-Unternehmen. „Künftig werden die Themen Digitalisierung, Online-Plattformen und Daten mehr in den Fokus rücken“, sagt er.

Mit der richtigen Datengrundlage etwa hätten in der aktuellen Krise viel schneller Entscheidungen getroffen werden können, zum Beispiel auch im Marketing. Über die öffentlich zugängliche Plattform covidlake.com etwa können sich Entscheider einen Eindruck verschaffen, wo welches Land gerade steht – und so ihre Marketingstrategien jeweils regional ausrichten. „Die auf der Plattform gezeigten Daten helfen Unternehmen auch dabei zu entscheiden, wo sie ihre Mitarbeiter wieder ins Büro schicken können“, sagt Staeritz.

Uyttenhovens Learning ist: „Wir haben gesehen, dass wir nur gemeinsam gegen die Krise ankämpfen können. Und das ist in einer sehr individualistisch geprägten Welt ein echtes Ereignis. Bei Maßnahmen gegen den Klimawandel ist dies ganz ähnlich. Diese Krise wird das Verhalten der Menschen also sicher verändern.“

13.05.2020    Miriam Rönnau
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