Ein Digitalisierungsschub durch Corona
12.10.2020    Manuel Kunst
  • Drucken

Der Digitalisierungsschub durch die Coronapandemie hat den Beleg erbracht: Der Transformationswille hierzulande ist größer als vermutet. Darin sind sich zumindest Christopher Grätz und Lukas Linnig einig. Beide haben bereits in jungen Jahren Führungsverantwortung übernommen – in unterschiedlichen Settings nach modernen Prinzipien. Aber auch die Coronapandemie hat ihren Rollen einiges abverlangt.

Grätz ist Mitgründer und CEO von Kapilendo, einem FinTech, das kleinen und mittelständischen Unternehmen digitale Finanzierungslösungen anbietet. Linnig ist seit Anfang Oktober CFO der BRAIN AG. Das Innovationszentrum der international agierenden BRAIN-Gruppe treibt die Forschung und Entwicklung im Bereich bioaktiver Naturstoffe, maßgeschneiderter Enzyme und Hochleistungs-Mikroorganismen voran.

Zur Person

Ein Portrait von Lukas Linnig

Lukas Linnig

ist seit Anfang Oktober CFO der BRAIN AG. Vorher war Linnig Finanzberater bei der Finanzberatungsgesellschaft FAS AG

Zur Person

Ein Portrait von Christopger Grätz

Christopher Grätz

arbeitete nach seinem Studium als Management Consultant bei KPMG im Bereich Strategy & Operations. Der gelernte Bankkaufmann ist Mitgründer und CEO von Kapilendo

Inwieweit ist der Digitalisierungsschub, den die Coronakrise gebracht hat, auch für Sie und in Ihren Unternehmen spürbar?

Christopher Grätz: Wir arbeiten mit vielen mittelständischen Unternehmen zusammen und sehen dort natürlich eine starke Veränderung. Dennoch hat diese Zeit auch den Beweis erbracht: In Deutschland sind die Voraussetzungen besser als von vielen behauptet. Das Bild, dass sich uns zeigt ist, dass die Digitalisierung des Kerngeschäfts in vielen Unternehmen bereits stattgefunden hat. Der digitale Schub ist nun eher in prozessualen Aspekten auffindbar, zum Beispiel beim Finanzmanagement. Aber wir sehen bei den KMU – also den kleineren und mittleren Unternehmen – auch eine große Bereitschaft, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen.

Lukas Linnig: Die Coronakrise hat viele Unternehmer motiviert, anders auf ihre Prozesse zu schauen. Manche Dinge lassen sich allerdings nur schwer digitalisieren, etwa Experimente im Labor, die für unseren Konzern wichtig sind. Aber auch ich glaube, dass wir in Deutschland insgesamt auf einem guten Weg sind. Wichtig: Es wird sich nicht von heute auf morgen alles ändern, aber es hat die richtigen Denkanstöße gegeben. Also eher Evolution statt einer Revolution.

Treten Themen wie agile Arbeitsweisen, flexible Ausrichtung und innovationsfreudiges Umfeld jetzt noch stärker in den Vordergrund?

Linnig: Wir haben schon immer auf eine moderne Unternehmenskultur gesetzt. Ich sehe es aber auch als meine Aufgabe an, noch mehr Flexibilität in den Arbeitsalltag einzubringen. Denn unser Kern-Asset sind unsere Mitarbeiter. Daher muss man auch neue Arbeitsformen ausprobieren, um bestehende Mitarbeiter zu halten und neue Talente zu gewinnen.

Grätz: Gleiches trifft auch auf uns zu. Auch wenn wir von vornherein digital aufgestellt waren, haben wir uns trotzdem vorgenommen all unsere Prozesse immer wieder zu überprüfen, um noch effizienter zu werden. Unsere digitale Aufstellung ist ein Joker im War for Talents. Gemeinsam wollen wir immer weiter weg von Hierarchien und hin zum gemeinsamen Arbeiten. Zudem binden wir Mitarbeiter damit ein, dass man ihnen erlaubt, neueste Technologien auszuprobieren und einzusetzen. Bei uns wird auch ein Teil der Zeit in Themen investiert, die nichts mit dem Hauptgeschäft zu tun haben – um einfach ganz neue Ideen zu entwickeln.

Sie sind beide junge Männer in Führungspositionen. Sind Sie in Ihrer Karriere auf Akzeptanzprobleme gestoßen?

Linnig: Ich habe mir natürlich darüber Gedanken gemacht, als ich 2017 die Stelle des Leiters der Abteilung für Rechnungswesen bei BRAIN übernommen habe. Die Bedenken waren jedoch unbegründet, weil die Mitarbeiter selbst sich beim damaligen Vorstand für mich ausgesprochen haben. Bisher hatte ich deshalb keine Probleme damit. Aber selbst wenn es da zu Irritationen kommen sollte, ist meine Tür natürlich immer offen. Und die Übergabe der CFO-Position an mich wurde natürlich hinreichend lange vorbereitet.

Grätz: Bei unserer Größe mit etwas über 30 Mitarbeitern ist es relativ einfach alle auf der Reise des Unternehmens mitzunehmen. Aber ich habe schon in meiner früheren Laufbahn Diskussionen über mein Alter geführt. Am Ende zählt jedoch die Leistung und nicht das Alter. Trotzdem bin ich in meinem Unternehmen einer unter vielen, der genauso mit einspringt, wenn jemand ausfällt und dort Arbeit ansteht. Diese Bereitschaft ist auch eine grundsätzliche Erwartung, die ich an jeden meiner Kollegen und Kolleginnen habe.

Wie hat sich der Mindset ihrer Mitarbeiter über die Zeit verändert?

Grätz: Bei uns habe ich nicht das Gefühl, dass sich die Ansichten und damit auch die Zusammenarbeit wesentlich verändert hat. Ich muss jedoch sagen: Man merkt deutlich, dass sowohl junge als auch ältere Mitarbeiter sehr viel Wert auf ein demokratisches Mitspracherecht legen. Diese Art der Unternehmensführung ist mit zunehmenden Wachstum nicht mehr ganz so einfach skalierbar.

Linnig: Das stimmt. Wir haben flache Hierarchien. Bei uns kann jeder mit jedem reden. Wir befinden uns aber gerade in einer Transformation von einem reinen Innovations- hin zu einem internationaler aufgestellten Industrieunternehmen mit noch mehr Kundennähe. Dafür braucht es natürlich auch einen Kulturwandel. Je größer das Team, desto schwieriger wird es Entscheidungen zu treffen, die jeden Mitarbeiter mitnehmen. Denn man hat dann automatisch mehr Stimmen, die unterschiedliche Meinungen haben. Das geht nur über eine wirklich gute Kommunikation.

12.10.2020    Manuel Kunst
  • Drucken
Zur Startseite