Sascha Fligge
25.03.2020    Thomas Eilrich
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Das Präsidium der Deutschen Fußball Liga (DFL) empfiehlt der Mitgliederversammlung der 1. und 2. Bundesliga am 31. März zu beschliessen, dass Bundesligaspiele frühestens im Mai wieder stattfinden. Eine Erweiterung der Zwangspause aufgrund des Coronavirus ist denkbar. Die damit verbundenen finanziellen Einbußen belasten die Borussia mit ihren 850 Mitarbeitern. Verantwortliche, Trainer und Profis zeigen sich gegenüber den Angestellten solidarisch und verzichten auf Teile ihrer Gehälter.

Zur Person

Sascha Fligge

Sascha Fligge

Sascha Fligge ist Direktor Kommunikation und bereits seit April 2012 bei Borussia Dortmund

Wie erleben Sie mit dem BVB gerade auch als Arbeitgeber die Auswirkungen der aktuellen Coronakrise irgendwo zwischen Home-Office, Kurzarbeit und Existenzbedrohung?

Sascha Fligge: Es ist eine schwierige, eine belastende Situation für die Mitarbeiter und deren Familien. Und dennoch haben wir den Eindruck, dass sich alle ehrlich informiert fühlen und sehr ruhig, besonnen und konzentriert auf den Tag X zuarbeiten, an dem es für uns alle weitergeht. Dieser Tag, an dem der Fußball wieder rollen wird, mag aktuell vor dem Hintergrund der existenziellen Probleme im Land nicht relevant erscheinen. Und doch sind wir sicher, dass er irgendwann, in der Zukunft, ein Signal sein kann und wird, dass das normale Leben wieder Einzug hält. Dass wir Licht am Ende des Tunnels sehen. Dass es wieder vorwärts geht. Fußball ist Gesellschafts-Kitt für 60 Millionen Deutsche. Und das wird er hoffentlich bleiben. Konkret auf unser Unternehmen bezogen hat die Geschäftsführung allen Mitarbeitern mitgeteilt, dass bis auf Weiteres keine Kurzarbeit geplant ist. Top-Verdiener haben auf Teile ihrer Gehälter verzichtet. Das alles sorgt für ein Gefühl der Solidarität, die BVB-Familie rückt eng zusammen. Dass die Verantwortlichen allesamt seit mehr als 15 Jahren in Lohn und Brot stehen und diverse Krisen, im Jahr 2005 übrigens auch eine existenzbedrohende, gemeistert haben, gibt den Angestellten das Gefühl, sich auf Diejenigen verlassen zu können, die das Schiff steuern.

Wie lässt sich in Zeiten der Unsicherheit wie diesen Zukunft planen?

Fligge: Die Frage ist schwierig zu beantworten, weil sich die Situation rund um das Corona-Virus, und damit auch die behördlichen Vorgaben, täglich ändern können. Natürlich arbeiten alle Bereiche daran, am Tag X wieder durchzustarten, und die Pause gibt an der einen oder anderen Stelle vielleicht sogar die Gelegenheit, stärker in die Konzeption und die Strategie zu gehen, aber de facto fahren wir im Fußball mit bundesweit 56.000 Angestellten gerade alle nur auf Sicht.

Sie haben jüngst einen Podcast auf den Weg gebracht, der auf Anhieb eine hohe Resonanz erzielt hat. Mit welchem Ziel kommunizieren Sie in Zeiten wie diesen über das Medium und wie wollen Sie es weiterentwickeln?

Fligge: Corona hat auch kommunikativ vieles auf den Kopf gestellt. In ganz normalen Fußball-Zeiten kommunizieren wir auf über 40 Kanälen weltweit in etlichen Sprachen und sind mit unserem Team immer dort, wo die Mannschaft ist. Heute sieht das anders aus: kein Mannschaftstraining, kein Team vor Ort – und deshalb natürlich kaum interne und externe Media Days, Shootings, Drehtage, Interviews. Das ist traurig, aber leider nicht zu ändern. Das Thema „Voice“ war in den vergangenen Monaten immer in der Pipeline, ohne dass es – aus zeitlichen Gründen – je an die konkrete Umsetzung gegangen wäre. Durch den punktuellen Wegfall anderer Kommunikationskanäle bot sich uns nun die Möglichkeit, das Thema Podcast zu forcieren und den Fans einen Eindruck zu verschaffen, wie es den Menschen rund um Borussia Dortmund in dieser Phase, in der der Fußball pausiert, geht. Was sie umtreibt. Wie sie fühlen. Das sind zum Teil sehr private Einblicke in das Leben von Verantwortlichen, Spielern, aber auch von ganz ‚normalen‘ Mitarbeitern: Köche, Physiotherapeuten, Ärzte, BVB-Reisebüromitarbeiter, die keine Reisen mehr verkaufen und Menschen aus der Event und Catering GmbH, die keine Events und keine Caterings mehr veranstalten. Wir sprechen aber auch mal mit unseren Mitarbeitern in China und den USA über deren Lage vor Ort. Wir haben viele Geschichten zu erzählen.

Haben Sie ein Beispiel für uns?

Fligge: Demnächst machen wir beispielsweise einen Podcast mit den Büros aus Shanghai und Singapur, um über die Lage vor Ort zu informieren. Apropos Japan: Inmitten der Corona-Krise erreichen uns von dort auch wieder positive Nachrichten: Die Dortmund Soccer Academy etwa, ein Kooperationspartner von Borussia Dortmund, konnte ihren Trainingsbetrieb inzwischen wieder aufnehmen. Nach wochenlangen Einschränkungen durch das Virus öffnet die japanische Fußballschule wieder ihre Tore für Kinder und Jugendliche.

Eine andere aktuelle Aktion: Sie unterstützen mit der Idee des digitalen Spieltags die unter der Spielpause leidenden Dortmunder Gastronomie. Welcher Gedanke steckt hinter diesem Engagement und wie geht es mit der Idee weiter?

Fligge: Wir können uns die Weiterführung gut vorstellen und befinden uns gerade schon in den Planungen. Dass mehrere tausend Fans an einem einzigen Tag auf einem virtuellen Stadionweg zu einem imaginären Spiel im Signal Iduna Park mehr als 70.000 Euro bei ihren Lieblings-Gastronomiebetrieben lassen – etwa für ein digitales Bier oder eine nie zubereitete Currywurst – ,  zeigt, wie diese BVB-Familie tickt. Es ist den Leuten einfach wichtig, dass die Bude, an der sie vor einem ganz realen BVB-Spiel regelmäßig ein Bier heben oder eine Portion Pommes essen, auch noch existiert, wenn der Fußball wieder rollt. Unser Sport verbindet die Menschen. Vom Topmanager bis zur Reinigungskraft. Es gibt wenige Bereiche in unserem Leben, die so tief und barrierefrei in die Gesellschaft hinein wirken.

Was tut die Borussia darüber hinaus, um die – gerade vom einem geregelten Fußballbetrieb profitierende – Wirtschaft vor Ort zu unterstützen?

Fligge: Da das Corona-Virus alle, und ich meine wirklich alle Fußballklubs weltweit in eine bedrohliche Situation gebracht hat, geht es für jeden Klub natürlich in erster Linie darum, das eigene Überleben zu sichern. Das bedeutet für uns: 850 Mitarbeiter, deren Familien und all die kleinen und mittelständischen Betriebe, die am Fußball hängen, so gut es geht zu schützen. So ehrlich müssen wir sein. Wenn wir uns darüber hinaus solidarisch zeigen können, etwa durch Aktionen wie die von Ihnen aufgezeigte, von der immerhin 86 Betriebe in Dortmund finanziell profitieren, dann machen wir das unheimlich gern und helfen obendrein auch mit unserer Stiftung „leuchte auf“ sehr unbürokratisch in vielen Bereichen. Ich bin überzeugt, dass wir in den kommenden Wochen weitere Aktionen initiieren, anschieben oder verstärken können, die die Menschen in der Stadt und damit auch die Wirtschaft konkret unterstützen.

Ihr Appell an Unternehmer in Zeiten der Corona-Krise?

Fligge: Ich glaube, dass  jede Situation so individuell und schwierig ist, dass es vermessen wäre, grundsätzliche Ratschläge zu geben. Bezogen auf meinen Kernbereich, die Kommunikation, hat mir ein Führungskräfte-Coach mal den weisen Satz „Man kann nicht nicht kommunizieren“ ins Stammbuch geschrieben. Daraus folgt: Sprechen Sie gegenüber Ihren Mitarbeitern transparent auch unbequeme Wahrheiten offen aus und geben Sie Ihnen in Zeiten der medialen Themen-Überhäufung Quellen-Tipps für wirklich seriöse Informationen rund um die Corona-Pandemie an die Hand. Fake News, aus dem Zusammenhang gerissene, verfremdete oder verknappte Zitate in Verbindung mit reißerischen Schlagzeilen sind in unserer Gesellschaft leider ein Treiber für Spekulationen, die Unternehmenskulturen sehr schaden können.

25.03.2020    Thomas Eilrich
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