Illustration der chinesischen und amerikanischen Flagge mit Drachen
28.10.2020    Miriam Rönnau
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Über Donald Trump lässt sich vieles sagen, aber eines ist gewiss: Der US-Präsident erregt Aufmerksamkeit – vor allem durch seine stark polarisierende, oft polternde Rhetorik. Chinas Staatschef wirkt daneben fast besonnen. Und doch weiß Xi Jinping sehr genau, was er will – und was er tun muss, um seine Ziele zu erreichen. Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei setzt darauf, Politik, Gesellschaft, Medien und Wirtschaft so streng wie möglich zu kontrollieren. Trotz der eklatanten Unterschiede im Auftritt haben die Staatsmänner eines gemeinsam: Sie streben nach Macht – um (fast) jeden Preis.

Welche Beziehung haben die USA und China zueinander?

Während der Trump-Administration wandelte sich China vom strategischen Partner der USA zum „strategischen Rivalen“, wie Barbara Lippert und Volker Perthes von der Stiftung Wissenschaft und Politik in einer Analyse des Konflikts schreiben. So wird die Volksrepublik etwa in der „National Security Strategy of the United States of America“ vom Dezember 2017 als durchweg revisionistische Macht dargestellt, welche die Führung über den indopazifischen Raum einnehmen und eine weltweite Vormachtstellung erringen wolle. Natürlich wollen die USA den Einfluss des politischen wie wirtschaftlichen Systemrivalen eindämmen. Schießlich ist das Reich der Mitte der einzige Akteur, der als potenzielle Supermacht den Status der USA bedrohen könnte. Ausdruck all dessen ist auch der 2018 von der US-Regierung initiierte Handelskrieg, der neue und erhöhte Importzölle zum Ergebnis hatte. In dem Konflikt geht es auch um das US-amerikanische Handelsbilanzdefizit sowie die Auseinandersetzung um den Schutz geistigen Eigentums und um Technologietransfers nach China.

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Kein Wunder, dass Washington mit Nachdruck versucht, andere Staaten vom Ausbau der Beziehungen mit China abzubringen. Beliebte Konfliktpunkte: die Verantwortung der Volksrepublik für die Verbreitung des Coronavirus, die Unterdrückung von Minderheiten sowie das Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong. Der Vorwurf, Technologie zu verwenden, um an Daten zu kommen und Wirtschaftsspionage zu betreiben, mündete zuletzt in das drohende Aus der populären chinesischen Video-App TikTok in den USA sowie eine Kampagne zum Ausschluss des Technologiekonzerns Huawei vom Ausbau weltweiter 5G-Netze. Jüngste Eskalation des Konflikts: die beidseitige Schließung von Konsulaten.

Doch der (Wett-)Streit hat noch weitere Dimensionen: So will China bis 2030 die weltweite Technologieführerschaft erreichen. Diesem Ziel hat sich Peking im „Entwicklungsplan für Künstliche Intelligenz der neuen Generation“ verschrieben. Noch liegt das Land in der KI-Forschung zurück – und doch führen die ambitionierten Ziele zu Reaktionen. Anfang 2020 erklärte Trumps Technologieberater Michael Kratsios, es werde durch finanzielle Mittel sichergestellt, dass die USA die Führung bei KI- und Quantentechnologie behalten.

„Amerikas wirtschaftliche Macht und nationale Sicherheit hängen davon ab“, erklärte er. Die Technologieführerschaft ist deshalb entscheidend, weil sie weltwirtschaftliche Wettbewerbsvorteile schafft – und die Basis für militärische Überlegenheit sichert. Erst Anfang September warnte das US-Verteidigungsministerium den Kongress, China wolle bis 2049 auch die dominierende Militärmacht werden.

Europas Rolle im USA-China-Konflikt

Was bedeutet die sich zuspitzende Rivalität für Europa? Der Worst Case: Der strategische Konflikt verschärft sich, führt zu einer Deglobalisierung, zwei Ordnungen entstehen – eine von den USA dominiert, die andere von China. Daran hat Europa wenig Interesse. Eine Abkopplung von China hätte den Verlust eines Kooperationspartners zur Folge, der bei der Bewältigung globaler Herausforderungen, etwa des Klimawandels, entscheidend ist.

„Wir müssen sehr selbstbewusst sagen, dass wir uns in die Auseinandersetzung zwischen China und den USA nicht einmischen“, so SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gegenüber DUB UNTERNEHMER. „Ich will nicht, dass wir uns von den USA erpressen lassen und keine Kontakte zu China mehr haben dürfen. Ich habe kein Interesse daran, dass wir mit den Chinesen brechen.“

Andererseits: Der technologische Fortschritt wirft Grundfragen politischer und gesellschaftlicher Ordnung auf – sei es bei der Datengewinnung und -nutzung, bei KI oder Biotechnologie. Es stellt sich zudem die Frage, inwieweit Europa mit der Nutzung chinesischer Technologien ein autoritäres Regime in der Volksrepublik unterstützt. Lippert und Perthes empfehlen in ihrer Analyse daher eine Chinapolitik, die mit europäischer Souveränität vereinbar ist.

Aktuell richtet sich der Blick vieler voller Spannung auf die US-Wahl. Aber würde ein Demokrat im Weißen Haus den Konflikt lösen können? Kaum. Auch in den US-Parlamentskammern ist der Ton gegenüber China schärfer geworden. „Dass unter Joe Biden auf einmal alles wieder wird wie früher – da habe ich meine Zweifel“, so Klingbeil.

28.10.2020    Miriam Rönnau
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