Ein Smartphone auf einem Tisch, dass ein Schild mit der Aufschrift
15.07.2020    Miriam Rönnau
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Gestaltungssprachen, Skriptsprachen und Datenbanksprachen: Wer in ein Tutorial zur Website-Programmierung schaut, ist meist schnell abgeschreckt. Die Liste an benötigten Fähigkeiten scheint lang, aber vor allem für die Erstellung eines eigenen Online-Stores ist spezielles Know-how oft gar nicht notwendig.

„Ich muss hier auch einmal ein wenig mit Mythen aufräumen“, sagt Kim Spalding. Heute müsse man weder digitalaffin noch Marketingexperte sein, um eine ansprechende Online-Präsenz aufzubauen, meint die Leiterin Produktmanagement bei Google. Im Interview berichtet sie, welchen Einfluss die Pandemie auf die Digitalisierung hat, wo der deutsche Mittelstand gerade beim Thema Online-Marketing steht und welche Tools bei der Optimierung des eigenen Online-Shops helfen können.

Zur Person

Kim Spalding

ist bei Google Global Product Director SMB Ads. Sie leitet ein Team von 70 Mitarbeitern und setzt Maßnahmen um, die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland während und vor allem nach Covid-19 wieder auf die Beine helfen sollen

Das Coronavirus beschleunigt die Digitalisierung – und es verhilft New Work endgültig zum Durchbruch: Zwei Thesen, die in den letzten Wochen in Deutschland oft zu hören waren. Stimmen Sie zu?

Kim Spalding: Wir haben in wenigen Wochen Veränderungen erlebt, die wir noch vor sechs Monaten nicht für möglich gehalten hätten. Viele Unternehmen mussten sich fast über Nacht auf die neue Realität einstellen und Wege finden, um nicht nur ihre Mitarbeiter zu schützen, sondern gleichzeitig für ihre Kunden da zu sein, da sich auch deren Bedürfnisse änderten.

Ich glaube wirklich, dass einige dieser Entwicklungen zukunftsbeständig sein werden. Tatsächlich sagen in einem kürzlich veröffentlichten Bericht der Initiative Chefsache, bei der Google Deutschland Mitglied ist, dass 46 Prozent der Führungskräfte feststellen, dass ihre Akzeptanz gegenüber New Work gestiegen ist. Dies stimmt mich mit Blick auf die Zukunft optimistisch.

Gehen wir davon aus, die These, dass das Coronavirus die Digitalisierung in deutschen Unternehmen beschleunigt hat, stimmt. Ginge damit auch eine neue Technologie-Offenheit einher?

Spalding: Ich glaube auf jeden Fall, dass die Offenheit gegenüber neuen Technologien jetzt vorhanden ist – sofern es sie nicht vorher schon gab. Was wir aus dieser Pandemie gelernt haben: Es ist wichtiger denn je, online präsent zu sein. Wir haben erlebt, dass Unternehmen schnell einen Internetauftritt realisieren können, um sich an das veränderte Konsumentenverhalten anzupassen. Die Abholung vor den Geschäften wurde sogar zu einer wichtigen Voraussetzung dafür, dass im Einzelhandel, in Restaurants und anderen Geschäften weiter gearbeitet werden konnte.

In den letzten Monaten haben auch wir bei Google unser Produktangebot aktualisiert. Für Geschäftsinhaber ist es nun ein Leichtes, ihren Kunden mitzuteilen, dass sie diese immer beliebteren Lieferoptionen anbieten. Wir möchten Unternehmen durch die Bereitstellung von leicht bedienbaren Tools dabei unterstützen, mit ihren Kunden in Kontakt zu bleiben und neue Kunden zu erreichen – und zwar ohne Marketingexperte zu sein. Beispielsweise nutzte ein Florist in Stuttgart, der Inhaber des „Blumenladen“, unser Tool „Google My Business“, um für seinen Laden auf Google und Google Maps zu werben. Er begann, über sein Geschäftsprofil mit Kunden zu kommunizieren, was zu einer Umsatzsteigerung und einem Wachstum seines Kundenstamms führte.

Ein weiteres Thema sind Videokonferenztools, die Unternehmen einsetzen, um Teams aus dem Homeoffice heraus zusammenzubringen. Videokonferenzen sind zwar nicht neu, aber ich glaube, dass sich die Menschen über die letzten Wochen hinweg an dieses Medium gewöhnt haben.

„Was manche Mittelständler nicht wissen: Selbst wenn man noch keine Website hat, kann man heute in zehn Minuten eine neue Website erstellen.“

Hat im Zuge der Coronakrise ein Umdenken in KMU eingesetzt?

Spalding: Überall auf der Welt können wir beobachten, dass sich eine Vielzahl kleiner Unternehmen in den unterschiedlichsten Phasen der digitalen Transformation befinden. Einige sind vollständig online, andere sind auf dem halben Weg dorthin. Und wieder andere haben damit zu kämpfen. Die Anzahl der weltweiten Suchanfragen, wie man lokale Unternehmen unterstützen kann, hat sich in diesem Jahr mehr als verdoppelt.

Wenn Unternehmen online sein müssen, um zu überleben, ist es unser Ziel, es ihnen so einfach wie möglich zu machen. Wir können beobachten, dass KMU ihr Überleben während der Pandemie mithilfe digitaler Tools sichern. Aus einer gemeinsamen Studie mit dem Connected Commerce Council in den USA geht hervor, dass fast ein Drittel der Kleinunternehmer sagen, dass sie sich nach der Covid-Krise stärker auf digitale Ressourcen verlassen werden.

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Aus welchen Gründen tun sich Unternehmen mit Online-Marketing schwer?

Spalding: Online-Marketing kann einfach sein, aber vor allem in kleinen Unternehmen schätzt man es als ziemlich anspruchsvoll ein. Fast zwei Drittel der KMU nutzen Online-Werbung, um zu wachsen. Jedoch haben sie weder die Zeit noch das Know-how, sich digitale Fertigkeiten anzueignen. Das ist ein globales Problem. 70 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie nach Möglichkeiten suchen, Zeit zu sparen – und fast ebenso viele suchen nach benutzerfreundlichen Anwendungen, um für ihr Unternehmen zu werben.

In Deutschland sind die drei größten Herausforderungen, vor denen kleine Unternehmen stehen, die Gewinnung neuer Kunden, Kundenbindung und gleichbleibendes Wachstum. Interessant: Zwar haben 77 Prozent der KMU eine Website, aber nur 18 Prozent nutzen Anzeigen als Teil ihrer Werbestrategie. Ich muss hier auch einmal ein wenig mit Mythen aufräumen. Denn was manche Mittelständler nicht wissen: Selbst wenn man noch keine Website hat, kann man heute in zehn Minuten eine neue Website erstellen.

Von der eigenen Digitaleinheit bis zur Kooperation mit Start-ups: Woher weiß ich als Unternehmer, welcher Weg für mich der Beste ist, um innovative Ideen hervorzubringen?

Spalding: Als Kleinunternehmerin habe ich selbst neun Jahre lang mit meinem Mann ein Weingut bewirtschaftet. Ich weiß aus erster Hand, vor welch großer Bewährungsprobe Kleinunternehmen im Moment stehen – in der Sorge, ob ihr Unternehmen die Krise überleben wird. Auch wir mussten damals einige harte Entscheidungen treffen, etwa ob wir inmitten der Finanzkrise die Preise senken sollten oder nicht.

Und obwohl wir die Preise gesenkt haben, hatten wir gleichzeitig damit zu kämpfen, Kunden mit unserem Produkt zu erreichen. Rückblickend wünschte ich mir, wir hätten über alle heute bekannten digitalen Werkzeuge verfügt, wie eine einfache Lösung zur Erstellung von Anzeigen in weniger als 15 Minuten. Ich bin von den Geschichten verschiedener Unternehmer inspiriert. So hat etwa HeimatHund, eine Hundeschule mit Einzelhandel in Menden, unser kostenloses Tool „Grow My Store“ genutzt, um zu verstehen, wie sie ihren Online-Shop für Hundezubehör entwickeln und gestalten können.

Die Eigentümerin steigerte ihren Umsatz um 440 Prozent, kann nun fünf Mitarbeiter in Vollzeit beschäftigen und plant, ein zweites Geschäft zu eröffnen. Sie kommunizierte während der Krise auch aktiv über „Google My Business“ mit ihren Kunden. Obwohl sie das Hundetraining einstellen musste, konnte sie ihren Online-Shop am Laufen halten.

15.07.2020    Miriam Rönnau
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