CIO am Server
18.05.2020    Madeline Sieland
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Die IT wird in Unternehmen oftmals lediglich als Vehikel für die Transformation betrachtet, nicht aber auch als möglicher Auslöser des Wandels, sagt Armin Haffner von der Beratung Capgemini Invent. Und das hat Folgen: „Wer sich nur die Frage stellt, welche Technologien ein Geschäftsmodell effizient unterstützen können, der wird beispielsweise auch nicht erkennen, welche Technologien den Status quo infrage stellen und etwa ein neues Geschäftsmodell überhaupt erst ermöglichen“, so Haffner. Abhilfe schaffen soll ein neuer strategischer Ansatz: Inventive IT. Ziel ist es, das Unternehmen und dessen Technologie gleichzeitig zu transformieren und so den Wandel zu beschleunigen.

Zur Person

Armin Haffner Capgemini

Armin Haffner

ist seit April 2017 Vice President und Head of Digital Acceleration bei der Beratung Capgemini Invent

DUB UNTERNEHMER-Magazin: Was sind die Folgen, wenn die Transformation der IT und des Geschäftsmodells nicht Hand in Hand, sondern getrennt laufen?

Armin Haffner: In diesem Fall finden wir meist eine IT vor, die das Geschäft nicht adäquat unterstützen kann. Vorhandene Kompetenzen, Umsetzungsgeschwindigkeit, Skalierbarkeit oder auch Kosten der IT entsprechen dann meist nicht den Ambitionen des Unternehmens.

Wir sehen dann beispielsweise oftmals digitale Inseln. Die Transformation wurde nur punktuell in einem Geschäftsbereich oder für ein ausgewähltes Produkt vorangetrieben. So wurde zwar Aufmerksamkeit für das Thema Digitalisierung generiert, aber die Skalierbarkeit außer Acht gelassen. Das Ergebnis ist dann meist ein Bruch zwischen neuer, digitaler Welt und Bestandsgeschäft sowie Unterstützungsprozessen.

So können etwa die vorhandenen Daten nicht ohne Weiteres genutzt werden, um ein vollständiges Bild von Geschäft und Kunden zu erhalten. Oder bestehende Shared Services, zum Beispiel zur Rechnungsstellung, können durch die, die bereits in der digitalen Welt sind, nicht genutzt werden. Über die Zeit entstehen so auch inflexible und teure IT-Architekturen, welche nicht skalieren und Fortschritt hemmen statt ihn zu ermöglichen. Die digitale Transformation von Geschäftsmodellen erfordert aber auch eine adäquate IT-Unterstützung. Besser ist es also, von vornherein ganzheitlich zu denken und vorzugehen.

Welche Rolle spielen CIOs aktuell in Unternehmen in der Regel? Und welche Rolle sollten sie idealerweise spielen, damit Transformationsprozesse schneller vorangehen?

Haffner: In den meisten Unternehmen stehen CIOs nach wie vor in der zweiten Reihe. Sie berichten oftmals an CFOs und setzen technisch um, was die Kolleginnen und Kollegen in der C-Suite zuvor erdacht haben. Somit wird das gestalterische Potenzial von CIOs oft nicht ausgeschöpft. Schließlich verfügt Technologie nicht nur über eine geschäftsunterstützende Funktion wie im Fall von ERP oder CRM, sondern kann auch gänzlich neue Handlungsfelder und Geschäftsmodelle eröffnen, etwa durch Nutzung von Künstlicher Intelligenz oder IoT. Der Fokus der meisten CIOs liegt aber bislang meist auf Ersterem, was auch durch die Berichtslinie bedingt wird.

Um die Digitalisierung voranzutreiben, wurde in den 2010er-Jahren in vielen Unternehmen eine Chief-Digital-Officer-Rolle etabliert. Dies hat Aufmerksamkeit für das Thema Digitalisierung geschaffen und Proof of Concepts generiert. Das ist aber auf Dauer nicht nachhaltig und skalierbar. Wir gehen davon aus, dass die CDO- und CIO-Rollen mittelfristig wieder in einer Rolle verschmelzen. Ob diese dann CDO oder CIO heißt, ist unbedeutend. Wichtig hingegen ist: Um das Potenzial digitaler Technologien im Unternehmen besser auszuschöpfen, sollten CIOs einen Platz im Board erhalten, welcher sowohl Raum zur Mitgestaltung als auch die erforderliche Durchsetzungskraft in der Organisation gibt.

Sie haben den Ansatz der Inventive IT entwickelt. Dieser sieht vor, dass CIOs eine deutlich größere Rolle in Firmen spielen. Machen Sie damit einen CEO nicht ein Stück weit überflüssig?

Haffner: Selbstverständlich werden CEOs weiter Takt und Richtung vorgeben. Die Transformation bleibt aber für viele CEOs auch in den 2020er-Jahren eine Herausfor­derung. Wird die CIO-Rolle nicht nur exekutierend, sondern auch gestalterisch interpretiert, stehen CEOs kompetente Vertrauenspersonen zur Seite, die sie auf Basis digitaler Kompetenz beraten sowie aus dieser Perspektive Vorschläge für die weitere Entwicklung von Geschäft und Unternehmen machen können. Inventive IT macht die CEO-Rolle also keineswegs überflüssig, sondern stärker.

Wie schnell lässt sich Inventive IT in einem Unternehmen umsetzen?

Haffner: Ganz offen gesprochen: Das wird in den meisten Firmen sicher mehrere Jahre dauern und erfordert – neben der Bereitschaft zur radikalen Veränderung – auch Durchhaltevermögen, insbesondere im Management. Aber man muss und sollte nicht im Sinne eines Big Bangs bis zur vollständigen Erreichung des Ziels warten. Ganz im Gegenteil: Durch gezielte, pragmatische Initiativen lässt sich innerhalb weniger Monate signifikanter Mehrwert für das Unternehmen generieren.

Wichtig ist allerdings, dass diese Initiativen von Anfang an ganzheitlich durchdacht werden und auf ein gemeinsames Ziel einzahlen. Wir empfehlen unseren Kunden, sich zunächst drei bis vier Monate Zeit für das Zielbild zu nehmen und dieses dann iterativ umzusetzen, etwa in Schritten à drei Monaten. So wird die Transformation sowohl mess- als auch spürbar. Und es kann besser nachgesteuert werden, wenn neue Erkenntnisse vorliegen oder Prioritäten sich verändern.

18.05.2020    Madeline Sieland
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