Illustration Keith Krach
08.01.2020    Jens de Buhr
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Für mich ist Keith Krach außergewöhnlich – in ­mehrfacher Hinsicht. Der 62-jährige US-Amerikaner gehört zu den großen Digital-Visionären. Im Silicon Valley hat er zwei Unternehmen aufgebaut, die ihn zum Multimilliardär machen. Krach gilt als begnadeter Chef, der Teams zu Höchstleistungen motiviert. 2019 wählte ihn die Harvard Business School zum „Business Leader of the Year“.

Keith Krach – „The Magic One“: So nennen Amerikaner Menschen, die in ihrer Disziplin eine Art Legen­den­status erworben haben. Jetzt – nach einer seltenen einstimmigen Bestätigung durch den Senat – startet der fünffache Vater weit oben in der US-Politik durch. Sein erster Job: Als Un­der­secretary of State fungiert er als ­führender Wirtschaftsdiplomat seines Landes. Sein Chef: Außenminister Mike Pompeo. Viele sehen in Newcomer Krach den „Rising Star“ von Washington.

Bessere Allianz mit der EU

Sein Ziel: die Wirtschaftsdiplomatie transformieren. Sein Anliegen: globale wirtschaftliche Sicherheit schaffen. In seiner Stellungnahme vor dem Senatsausschuss für auswärtige Beziehungen sagte er: „Ich werde mich auf drei strategische Bereiche konzentrieren: Partnerschaften mit Verbündeten stärken, Innovationen und Ressourcen des Privatsektors nutzen sowie die moralische Spitzenposition demokratischer Werte für unser Land und die Welt stärken.“

Damit das gelingt, forciert er auch die Verbesserung der Allianz mit der EU. Dabei spielt Deutschland als viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt eine besondere Rolle. Kein Wunder, dass Frankfurt am Main Krachs erste Auslandsstation war, um mit deutschen CEOs über den Zustand der transatlantischen Partnerschaft und die Rolle Chinas zu diskutieren. „Ich war überrascht, wie interessiert Krach an unserer Meinung war“, erzählt ein Teilnehmer des CEO-Dinners, das DUB UNTERNEHMER organisiert hatte. „Und wir haben ein offenes Gespräch über Chinas zunehmenden wirtschaftlichen Einfluss in Deutschland geführt.“

Ich traf Krach erstmals vor drei Jahren bei einem ­Dinner in San Francisco. Damals war er CEO von DocuSign. Seine Mission: eine papierlose Welt schaffen. Wer DocuSign nutzt, kann etwa Verträge im Netz unterschreiben. Etwas frech stellte ich mich Krach als seinen Feind vor, der weiter an das Papier glaube. Er rea­gierte ungewöhnlich auf meine Attacke: Ich bekam eine Einladung, dem Advisory Board von DocuSign beizutreten. Aus meiner Provokation ist Freundschaft geworden.

Krach wurde in Ohio geboren. Im Alter von zwölf Jahren arbeitete er als Schweißer in der Werkstatt seines Vaters. Mit 26 Jahren wurde der Harvard-Absolvent der jüngste Vizepräsident von General Motors. In den 1990er-Jahren zog es Krach ins Silicon Valley. Dort gründete er Ariba und brachte es an die Börse. Später verkaufte er den B2B-Commerce-Anbieter für 4,3 Milliarden US-Dollar an SAP. Danach reiste er mit seiner Familie um die Welt. 2009 stieg der Vollblut­unternehmer bei DocuSign ein – um die Firma aufzupäppeln und sie 2018 an die Börse zu bringen. Aktuell ist das Softwareunternehmen zwölf Milliarden Dollar wert.

Bild vom weißen Haus in Washington

Vom Silicon Valley nach Washington: Der Milliardär ist verantwortlich für globale wirtschaftliche Sicherheit in der US-Regierung

Profi der Transformation

Jetzt macht der Selfmade-Milliardär Karriere in Washington. In seinen Worten klingt das so: „Ich möchte meinem Land etwas zurückgeben.“ In den USA sind Wechsel von der Wirtschaft in die Politik möglich, werden goutiert. In Deutschland gibt es kaum Beispiele dafür, dass erfolgreiche CEOs in Berlin ganz weit nach oben kommen. Bei uns regieren Parteisoldaten. Dabei wäre ein Austausch so wichtig, schließlich stehen wir mit der digitalen Transformation vor gigantischen Herausforderungen. Da ist es nicht schlecht, Profis wie Krach zu haben, die wissen, was es heißt, Systeme zukunfts- und wettbewerbsfähig zu machen. Krach steht für Veränderung. In seinem Minis­terium hat er sofort die formellen Arbeitsmeetings um informelle Gespräche ergänzt. Das heißt: Mitarbeiter tauschen sich jetzt auch hierarchieübergreifend aus. „So fließen Informationen besser, und wir sind effizienter geworden“, berichtet ein Mitarbeiter aus dem Ministerium, durch das nun ein Hauch von Silicon-Valley-Denke weht.

Am Rande seines Frankfurt-Besuchs sprach ich in meiner Funktion als Verleger mit Keith Krach über die Pflicht, etwas zurückzugeben, sein Verhältnis zu Deutschland und den Handelskonflikt mit China.

Krach Über Seinen Wechsel in die Politik:

„Primär habe ich gewechselt, um unserer großen Nation, die meiner Familie und mir so viel gegeben hat, etwas zurückzugeben. Zweitens war es stets einer meiner Grundwerte, immer wieder darauf zu drängen, neue Herausforderungen anzunehmen. Also kopfüber ins Wasser zu springen, wie ich es gern nenne. Dinge auszuprobieren, die vielleicht Angst einflößend, hart oder einfach nur neu erscheinen. Alles zu geben und keine Angst vor dem Scheitern zu haben, ist das beste Mittel, um weiter zu wachsen, zu lernen und zu leben. Als ich meine Entscheidung, diesen Sprung ins tiefste aller Gewässer zu wagen, abgewägt habe, hatte ich stets den Gedanken: Wie könnte ich mich selbst noch im Spiegel anschauen, wenn ich mich entscheiden würde, nicht aufzustehen und dem Ruf, meinem Land zu dienen, nicht zu folgen? Drittens habe ich mich zu diesem Schritt entschieden, um einen Unterschied zu machen. Die Bedrohungen, denen die Demokratie auf der Weltbühne ausgesetzt ist, sind real und drängend. Sie erfordern genau jetzt unsere Aufmerksamkeit. Ich habe schon in meiner Bestätigungsanhörung erwähnt, dass die Realität, mit der wir in der freien Welt konfrontiert sind, eine von ständig zunehmender Cyber-Kriegsführung und scheinbar unaufhörlichen Variationen eines intensiven, ja vielleicht sogar wie eine Waffe eingesetzten wirtschaftlichen Wettbewerbs ist. Alle wissen, dass die Chinesen dabei einen langen Atem haben – und sie meinen es ernst. Sie bilden sich ein, Meister in einem vierdimensionalen Spiel aus wirtschaftlichem, militärischem, diplomatischem und kulturellem Schach zu sein. Am schlimmsten aber ist: Sie glauben, dass sie über den Regeln stehen.“

Krach zitiert in Auszügen eine Redes seines Chefs, des US-Außenministers Mike Pompeo, der sagt, man habe Chinas Aufstieg jahrzehntelang Platz geboten und ihn gefördert – die Einhaltung der Regeln voraussetzend. In der Hoffnung, dass das kommunistische China freier, marktorientierter und am Ende vielleicht auch demokratischer werde. Krach gesteht die aus seiner Sicht daraus resultierenden Versäumnisse offen ein.  

Krach über Fehler des Westens:

„Die US-Industrie hat all ihr geistiges Eigentum verloren, freiwilligen und unfreiwilligen Technologietransfer zugelassen. Das führt zu einer Diskussion über Chinas Strategie einer parasitären Beziehung zu einem Gastland. Thema ist auch, wie Chinas Doktrin der ökonomischen Kriegskunst in ihrer Militärdoktrin wurzelt, die in der ‚Zeit der Streitenden Reiche‘ vor gut 2.500 Jahren entstand – während der Zeit von General Sunzi, der das Buch ‚Die Kunst des Kriegs‘ geschrieben hat. Es beinhaltet Konzepte wie: Wenn du schwach bist, handle stark; wenn du stark bist, handle schwach; die am höchsten bezahlte Person in der Armee ist der Spion; Geschwindigkeit ist die ultimative Waffe. Und wie es sich in Chinas moderne Doktrin der ökonomischen Kriegskunst übersetzt, die auf Täuschung, wirtschaftlicher Vergeltung, parasitären Beziehungen, dem Entwenden geistigen Eigentums und der endlosen Suche nach fortschrittlicher Fertigungstechnologie beruht, und wie in ihren Plan für 2025. Es wird auch darüber geredet, wie nach dem Kauf des deutschen Robotikherstellers Kuka durch die chinesische Midea 2016 die Gewinne zurückgingen, da Kunden ihr Geschäft anderweitig unterbrachten – und der deutsche CEO von Kuka 2018 wegen grundlegender Differenzen mit dem chinesischen Management aufgab. Ich habe viel Respekt vor Kukas Technologie, seit ich in den 1980er-Jahren GM Fanuc Robotics leitete und viele Roboter in DB-, BMW- und Opel-Werken installierte.“

Krachs Rhetorik gegenüber Chinas Strategie ist – wie die der gesamten US-Administration – dieser Tage mehr als deutlich. Deutschland solle aus den US-Fehlern lernen, empfiehlt er.

Krach über den Einfluss Chinas, den er in Deutschland sieht:

„Drei Beispiele: Die deutsche Photovoltaikmodul-industrie wurde durch die chinesische Konkurrenz und Dumping ausgehöhlt. Der letzte große deutsche Modulhersteller SolarWorld hat im Mai 2017 Insolvenz angemeldet. Dann im Sommer 2019 kündigte Vossloh – das global führende Bahntechnikunternehmen aus Deutschland und einer der wichtigsten Hersteller von Eisenbahnverbindungen in Nordamerika – an, ein defizitäres Lokomotivwerk an CRRC aus China, den weltweit größten Hersteller, zu verkaufen. Ich habe gehört, dass Industriekontakte Bedenken hinsichtlich einer möglichen Übernahme geäußert haben. Schwache Rentabilität soll potenzielle westliche Investoren vertrieben haben, aber nicht die staatlich unterstützte CRRC. Und: Die Beijing Automotive Group hat vergangenen Juli fünf Prozent der Anteile an Daimler erworben, wodurch sich der chinesische Anteil auf fast 15 Prozent erhöhte. Der Hauptaktionär von Daimler, der Autobauer Geely, vermeidet eine regulatorische Überprüfung, indem er seine 9,7-prozentige Beteiligung durch komplexe Derivatgeschäfte zusammengetragen hat. Alles in allem könnte das chinesischen Akteuren einen Einblick in Daimlers strategisches Denken erlauben. Der Beginn einer parasitären Beziehung.“

Die deutschen CEOs weist Krach nochmals auf die besondere Konstellation in China hin.

Krachs Rat an Deutsche Chefetagen:

„Ich rate deutschen CEOs dasselbe wie den amerikanischen. Es geht nicht um die Menschen in China – die wir sehr respektieren. Es geht um die von der kommunistischen Partei geführte Regierung. Ich hatte gerade ein Treffen mit rund 1.500 Führungskräften. Dort habe ich drei Dinge gesagt. Erstens – und davon war ich stets überzeugt: Unternehmerische Verantwortung ist soziale Verantwortung. Heute sage ich, dass es auch  um die globale wirtschaftliche Sicherheit geht. Zweitens gibt es in China das National Intelligence Law. Das Gesetz besagt, dass jede Firma, ob im Staatsbesitz oder nicht, sowie jeder chinesische Bürger verpflichtet ist, jedwede Information, jedes Eigentum an Technologie, jedes geistige Eigentum und alle Daten an die Regierung – sprich die kommunistische Partei, die Volksbefreiungsarmee, die allesamt ein und dasselbe sind – zu übergeben oder unter den Folgen zu leiden. Drittens, und hier zitiere ich Außenminister Pompeo: ‚Wir müssen sie so behandeln, wie sie sind und nicht so, wie wir hoffen, dass sie sein werden.‘“

 

Inhalt

Zur Person

Portrait von Keith Krach

Keith Krach

Der Milliardär ist verantwortlich für globale wirtschaftliche Sicherheit in der US-Regierung //
The billionaire is
responsible for
global economic
security in the U.S.
administration

08.01.2020    Jens de Buhr
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