Führungskraft sitzt auf Spitze des Eisbergs
24.11.2020    Anna Kaiser und Jana Tepe
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In der Vergangenheit hieß „damit umgehen“ im beruflichen Kontext in erster Linie „vertuschen“ – je höher die Position im Unternehmen, desto stärker der Drang, Gefühle von Unsicherheit oder Angst zu verstecken. Die Führungskraft, das war „Mister-know-it-all“. Und auch heute, in einer Welt, die ihren Code permanent neu schreibt, in der technologische Machbarkeit und ein menschliches Gehirn, das in seinem Kern noch so funktioniert wie vor tausenden von Jahren, aufeinandertreffen, versuchen viele Managerinnen und Manager, das Bild des starken Leaders aufrechtzuerhalten. Nicht wenige kommen dabei an ihre Grenzen – und sind verletzlicher denn je. Immer größer wird der Kraftakt, um die Fassade aufrechtzuerhalten. Wozu? Wem ist damit geholfen? Dem Einzelnen nicht, den Kolleginnen und Kollegen nicht, der Organisation nicht. Es ist höchste Zeit, die Maske abzusetzen und Verletzlichkeit als wichtigen Teil von Führungskompetenz zu begreifen!

Kolumne von Anna Kaiser und Jana Tepe

Was genau heißt das?

1. Habt den Mut, euch Unterstützung zu holen!

Sich einzugestehen, dass man nicht auf alles eine Antwort hat, ist kein Zeichen des Versagens, sondern des Anerkennens einer Welt, die nicht nur schwarz und weiß ist, es nie war. Es ist die so wichtige Einsicht, dass erst die Vielfalt an Blickwinkeln und Meinungen, an Fähigkeiten und Erfahrungen gute Entscheidungen möglich macht. Und die lassen sich nun mal nicht in einer einzelnen Person vereinen. Führungskräfte, die sich verletzlich zeigen, sind in hohem Maße mutig und fortschrittlich, indem sie sich trauen zu sagen: „Ich bin in dieser Frage unsicher. Kannst du mir bitte helfen? Wie ist deine Meinung dazu?“ Damit öffnen sie nicht nur den Raum für den fortlaufenden eigenen Lernprozess, sondern schaffen Nähe auch zu ihren Mitarbeitenden.

2. Räumt Fehler ein – und ermöglicht anderen aus ihnen zu lernen!

Ein unfehlbarer Chef? Einer, der angeblich immer genau das Richtige getan hat, auch wenn das Ergebnis eher so lala ist? Da kann doch etwas nicht stimmen. Ständige Unfehlbarkeit vorzuspielen vertieft den Graben zwischen Führungsebene und Mitarbeitenden. Sie schürt Misstrauen und eine Kultur, in der sich niemand traut Fehler zu machen. Am Ende traut sich niemand mehr irgendetwas zu machen – Goodbye Innovation. Fehler einzuräumen und zu sagen „Es tut mir leid, da habe ich die falsche Entscheidung getroffen“ ist für viele ein großer Schritt, aber er lohnt sich! Denn Führungskräfte, die sich fehlbar zeigen, nehmen auch den Kolleginnen und Kollegen die Angst vor Fehlern und schaffen so ein Umfeld, in dem Neues probiert werden kann.

Hinzu kommt, dass nur die aktive Auseinandersetzung mit Fehlern verhindert, dass diese sich permanent wiederholen. Führungskräfte, die ihre guten wie schlechten Erfahrungen mit anderen teilen, die Mentorinnen oder Mentoren sind und ihre Mitarbeitenden an ihrem eigenen Lern- und Entwicklungsprozess teilhaben lassen, tun das, was einen Digital Leader auszeichnet: Sie sind Vorbild und Kompass, stellen das Vorankommen ihrer Kolleginnen sowie Kollegen und der Organisation in den Mittelpunkt und navigieren ihr Team durch eine unbeständige Welt. Sie sind nicht Lösungsbringer, sondern in erster Linie Vernetzer, die es verstehen, die richtigen Personen und Skills zum richtigen Zeitpunkt miteinander zu verbinden.

Porträt von Anna Kaiser und Jana Tepe

Anna Kaiser und Jana Tepe sind die Gründerinnen von Tandemploy, einem vielfach ausgezeichneten Berliner Tech Start-up, das mit smarter Software und viel Herz die Arbeitswelt verändert. Großkonzerne wie Mittelständler nutzen die Talent-Marktplatz-Software von Tandemploy, um ihre digitale Transformation voranzutreiben – mit neuen Arbeitsmodellen, Lernformaten und einem Wissenstransfer auf Augenhöhe und ganz ohne Abteilungsgrenzen.

3. Nehmt euch selbst nicht zu wichtig – eure Mitarbeitenden aber schon!

Es ist heilsam sich klarzumachen, dass Hierarchien und Jobtitel lediglich Konstruktionen sind, die nicht viel mit dem zu tun haben, was wir können, wollen und fühlen und was uns als Mensch wirklich ausmacht. Im Gegenteil: Sie sind eine künstlich geschaffene Schutzhülle vor gelebter Verantwortung und echter Auseinandersetzung mit der Welt um uns herum. Ließen alle Führungskräfte diese Auseinandersetzung zu, würden sie vermutlich sehr schnell einräumen müssen, dass sich Führungsaufgaben am besten erledigen lassen, wenn sie auf Augenhöhe mit anderen wahrgenommen werden und wenn sie je nach Herausforderung und benötigter Kompetenz wechseln.

Eine gute Führungskraft macht sich selbst an vielen Stellen schlicht überflüssig! Um das gut aushalten zu können, brauchen wir ein Mindset, das uns erkennen lässt, dass wir viel mehr sind als unsere Arbeit. Noch immer ist der Verlust einer Führungsrolle, der Erwerbsarbeit oder das Scheitern einer Unternehmung ein Stigma. Lasst uns davon wegkommen!

Verschwendet eure Power nicht, um eine Rolle zu spielen, sondern spielt eine echte Rolle im (Arbeits-)leben eurer Kolleginnen und Kollegen. Gebt Raum für unentdeckte Fähigkeiten ebenso wie für lang unterdrückte Gefühle und Bedürfnisse. Indem ihr euch verletzlich zeigt, werdet ihr euch stark fühlen wie nie zuvor!

24.11.2020    Anna Kaiser und Jana Tepe
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