Illustration von digitaler Kugel
23.06.2020    Madeline Sieland
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h2>Und der Europäische Weg? 

„Aus europäischer Perspektive scheint dieser Umgang mit Daten schwer vorstellbar und erinnert an dysto-pische Romane wie Orwells ‚1984‘“, so Baas. „Schaut man als Europäer in die USA oder nach China, gewinnt man leicht den Eindruck, ein hoher Digitalisierungsgrad sei immer teuer erkauft und führe zur totalen Transparenz – gegenüber Unternehmen, dem Staat oder beiden. Besonders mit Blick auf sensible Gesundheitsdaten erscheint keine dieser Optionen attraktiv.“

Wie also könnte der europäische Weg der Datenerhebung und -nutzung im Gesundheitswesen stattdessen aussehen? Und kann es den überhaupt geben – trotz der vielen unterschiedlichen Gesundheitssysteme auf dem Kontinent? Auch der Stand der Digitalisierung ist nicht vergleichbar, wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung gezeigt hat. Während in Estland, Dänemark und Spanien ePA, E-Rezepte oder der Datenaustausch zwischen Ärzten alltäglich sind, haben Frankreich, Deutschland und Polen Nachholbedarf.

Kein digitaler Flickenteppich mehr

Anne Bucher arbeitet intensiv an einem einheitlichen Weg. Die Französin leitet die Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission. Ihr Ziel: eine stärkere Vernetzung von Gesundheitsdienstleistungen. Im Juli präsentiert sie dem Europäischen Rat für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz eine Bestandsaufnahme der in der EU bestehenden oder geplanten Modelle für den Austausch von Gesundheitsdaten. 

„Dies wird auch Erkenntnisse liefern, die für die Entwicklung europäischer Verhaltensrichtlinien für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Gesundheitssektor hilfreich sein werden“, so Bucher. „Ein gemeinsamer europäischer Gesundheitsdatenraum würde einen besseren Austausch und einen besseren Zugang zu verschiedenen Arten von Gesundheitsdaten fördern – in Übereinstimmung mit der DSGVO und nicht nur zur Unterstützung der Bereitstellung von Gesundheitsleistungen, sondern auch zu Zwecken der Forschung und der Gestaltung der Gesundheitspolitik.“

Daten nutzen und Schützen

Für TK-Chef Baas ist das ein Schritt in die richtige Richtung: „Dass für die medizinische Forschung und die Entwicklung neuer Therapien oder besserer Versorgungsformen künftig Vernetzung und eine solide Datengrundlage die Grundvoraussetzungen sind, steht außer Frage.“ Er empfiehlt, bei der Suche nach einem europäischen Weg zwei Perspektiven im Blick zu haben:

  •  die der Kranken, für die Digitalisierung eine große Erleichterung im Alltag bedeuten kann und denen Innovation auch Hoffnung gibt, die so groß ist, dass Datenschutzbedenken oft zweitrangig sind.  
  • die der Gesunden, für die der Nutzen der Digitalisierung abstrakt ist. Für sie ist die Nutzung ihrer Daten zunächst ein „Draufzahlgeschäft“, weil sie aktuell noch nicht sehen, wie sie davon profitieren.

„Um beide Perspektiven ausreichend berücksichtigen zu können, werden Kompromisse notwendig sein. Vor allem aber zwei Dinge: Der Staat muss den Datenschutz gewährleisten und Verstöße streng sanktionieren. Und die Teilnahme am digitalen Gesundheitswesen und das Bereitstellen eigener Daten muss auf der Basis von Freiwilligkeit geschehen“, so Baas.

Inhalt

75 %

Apps, elektronische Patientenakten, Künstliche Intelligenz, Roboter: Gut drei Viertel der Deutschen glauben, dass digitale Lösungen die Qualität des Gesundheitssystems verbessern würden. Das zeigt die Studie „European Study on the Digitalisation of the Healthcare Path­ways“ der Technologieberatung Sopra Steria.

21 %

Laut einer Studie der Beratung Capgemini sehen 81 Prozent der Versicherer Amazon als größten Herausforderer. Die gute Nachricht für sie: Nur 21 Prozent der Deutschen trauen Amazon und anderen US-Tech-Konzernen zu, wirksame digitale Lösungen zu entwickeln, die das Gesundheitswesen verbessern. Auch das zeigt die Umfrage von Sopra Steria.

23.06.2020    Madeline Sieland
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